Vom frisch gefallenen Schnee zart bepudert, schmücken getöpferte Engel
die Fassade eines Geschäfts auf der Alten Schulstraße in Zwönitz.
Foto: Nadine Voigt
Glück auf, liebe Leute. Ich freu mich, mit euch heute wieder ein Türchen des schönen Adventskalenders hier in Zwönitz zu öffnen.
Man sagt, wenn in einer jungen Familie „unnrer Haamit“ Erzgebirge ein kleines Menschenkind geboren wird, so sagt man, dann erhält vielleicht der kleine neugeborene Sohn am ersten Geburtstag einen kleinen hölzernen Bergmann. Und die kleine neugeborene Tochter, sie bekommt einen hölzernen Engel geschenkt. Ja und wir als Eltern, wir nehmen diese Figuren und stellen sie in der Weihnachtszeit in unser Fenster.
Und wenn sie am Abend durch die verschneiten Gassen spazieren gehen, dann können sie daran ablesen, so viele Bergleit und so viele Engel in einem Fenster stehen, so viele Jungen und Mädchen leben in der entsprechenden Familie. Bei mir im Häusel, da stehen jetzt im Fenster 2 Engel für meine beiden Töchter und ein kleines „Bergmannel“ für meinen Sohn.
Und ich werde es nicht vergessen, die Geschichte, es war vielleicht Ende der 70er Jahre. Meine Schwester war ganz aufgeregt, denn ihr Geburtstag stand bevor. Sie war ganz aufgeregt, sie konnte es kaum erwarten. „Oh, bald hab ich Geburtstag, bald krieg´ ich ein tolles neues Geschenk“. Sie war ganz aufgeregt.
Und siehe da, der Geburtstag kam und am Vormittag da klopfte es bereits an der Türe, die Mutter hat geöffnet und siehe da, es stand meine gute alte Großmutter in der Tür. Und meine Schwester freute sich: „Jetzt gleich, jetzt ist es so weit, jetzt krieg´ ich mein Geburtstagsgeschenk.“ Die Großmutter, sie gratulierte meiner Schwester erst einmal behäbig zu ihrem Geburtstag, sie setzte sich in den großen Sessel hinein und dann endlich, dann öffnete sie ihre Tasche und sie überreichte meiner Schwester ihr Geburtstagsgeschenk.
Dabei handelte es sich um einen alten, zerfledderten, braunen, speckig-abgegriffenen Karton. Die Schwester hat sich bedankt, sie hat diesen braunen Karton rasch geöffnet und siehe da, unter dunkelbrauner Holzwolle kam dieser alte hölzerne Engel zum Vorschein. Und meine Schwester war enttäuscht, ja sie war enttäuscht, denn sie hätte sich doch viel lieber ein tolles neues Spielzeug oder ein neues Kleid gewünscht – aber nein, ausgerechnet diesen alten Engel musste die Großmutter ihrer Enkelin schenken.
Meine Schwester war enttäuscht und ich muss dazu sagen: Die Großmutter, sie wurde geboren im Jahre 1910 und sie starb 1987. Und wenn meine Schwester und ich heute am Grabe der Großmutter stehen, da finden wir nichts mehr von ihr, denn diese Grabstelle wurde nach 20 Jahren eingeebnet und nichts, aber rein gar nichts erinnert mehr an die gute alte Oma. Im Gegenteil heute, da liegt in dieser Stelle in der Erde ein anderer, ein fremder Mensch. Nichts erinnert mehr an die Großmutter.
Kehren wir auch beide nach Hause zurück und wir sitzen am Abend im stillen Kämmerlein und wir betrachten unseren alten handgeschnitzten Engel, dann plötzlich, in aller Stille beginnt dieser Engel Geschichten zu erzählen, Geschichten an die Begegnung mit meiner guten alten Großmutter und ich muss sagen in solchen Momenten, da ist meine Schwester und ich wir sind sehr dankbar, dass durch diesen alten hölzernen Engel der Gedanke an die vorangegangene Generation, der Gedanke an die gute alte Großmutter immer wieder aufs Neue wachgehalten wird. Ein schöner Brauch in „unnrer Haamit“ Erzgebirge.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen ein gesegnetes Weihnachtsfest.
Euer Frank