verfolgt uns, verlockt, verwirrt und nervt massiv – die Werbung. Sie begegnet uns bereits beim Frühstück auf der Müslipackung, auf dem Weg zur Arbeit, an Plakaten und Straßenschildern vorbei, die farbenfroh und überdimensioniert nach Aufmerksamkeit schreien, beim Blick ins Handy, egal welche App wir bedienen, beim Check der E-Mails (wer kennt sie nicht, die Nachrichten im Spam-Ordner, die uns Millionengewinne verheißen, oder das ultimative, exklusive Gerät für was auch immer anpreisen), im Postfach, wo Flyer, Werbeprospekte und Kataloge den Briefkasten zu sprengen drohen, beim Einkaufen im Supermarkt, wo Schokoriegel in Tierform fröhlich bunt an der Kasse als sogenannte „Quengelware“ in Kinderhöhe lauern und für Familiendramen sorgen…die Liste lässt sich ins Unendliche fortsetzen. Übrigens ist auch Flirten eine Werbung, nämlich um die Gunst einer Person. Scheinbar gibt es keinen Lebensbereich ohne Werbung. Das wissen insbesondere Psychologen. Die Werbepsychologie als Teilgebiet der Angewandten Psychologie versteht es, mit verschiedenen Werbemethoden die Aufmerksamkeit zu lenken und das Verhalten zu beeinflussen. Sie bedient sich dabei der Lernpsychologie, welche bereits vor über hundert Jahren Erkenntnisse zu optimalen Bedingungen für Wissensaneignung und –speicherung brachte. Wiederholung, Belohnung und Vorbild – das ist die Formel für Lernerfolg, die sich aus den Erkenntnissen ableiten lässt. Deshalb begegnet uns Werbung wiederholt, wir glauben, beim Kauf des beworbenen Produktes mit Attraktivität, Fitness und Wohlbefinden belohnt zu werden und lassen uns von Prominenten zum Kauf des Produktes verleiten, welches uns unseren Vorbildern vermeintlich ähnlicher macht – simpel, aber raffiniert. Raffiniert waren auch die Brüder Louis Albin und Albin Hugo Trommler – die Unternehmensgründer der 1889 aufgebauten Mechanischen Schuhwarenfabrik A. Trommler in Zwönitz. Die zunächst in der Leder- und Schuhindustrie Dresdens tätigen Unternehmer wählten für ihre eigene Fabrik wohl bewusst die altbekannte Schuhmacherstadt Zwönitz aus. Sie nutzten das Image der Stadt, um mit Handwerk und Qualität zu werben. Eine passgenaue Verarbeitung und Tragekomfort bestimmten hierbei die Qualität, was Werbeslogans betonten: „Trommler-Schuhe, sie passen so gut!“ oder „Die Trommler-Schuhe passen, Du kannst Dich drauf verlassen!“. Die Anstellung orthopädischer Schuhmacher verlieh dem Qualitätsanspruch Seriosität und erweiterte das Kundenspektrum um Patienten, deren medizinischen Bedürfnissen entsprochen wurde. Wichtigste Zielgruppe bildeten jedoch Kinder und Jugendliche, besonders groß war die Zahl für das Alter bis zu 6 Jahren. Die Wahl fiel natürlich nicht willkürlich. Kinder und Jugendliche befinden sich im Wachstum und brauchen ständig neue Schuhe in der passenden Größe, ihre Eltern sind die verlässlichsten Stammkunden. Die Zielgruppenansprache über die Eltern erfolgte mit Werbebroschüren, in denen beispielsweise die chinesischen Lotusfüße als Negativbeispiel angeführt und als Wohltat für die Kinderfüße die eigenen Artikel angepriesen wurden. So ist in der Werbebroschüre der 1930er Jahre zu lesen: „Von frühester Jugend an wurden in China die Füße vornehmer Mädchen in kleine Schuhe gepreßt. Je kleiner der Fuß, desto wertgeschätzter die Chinesin. Laufen konnte sie nicht, denn die Füße waren verkrüppelt! Uns sind gesunde, lauffrohe Füße lieber, mögen sie ruhig etwas größer sein. Den Kindern kaufen wir von klein auf TROMMLER-SCHUHE. Sie fördern das gesunde Wachstum der Füße, denn…Sie passen so gut!“ Damit wurde zwar drastisch, aber gezielt an das Gewissen der Eltern appelliert, die selbstverständlich vorbildlich handeln und nur das Beste für ihre Kinder wollten. Die größere Werbekampagne sollte aber die Kinder und Jugendlichen direkt ansprechen. Das erzielte Trommler vornehmlich mit Spielzeug. Vom Schaukelpferd über Kartenspiel bis hin zum „verflixten Trommler-T“ gab es eine große Bandbreite an verlockenden, zum Kauf der Schuhe animierenden Spielsachen. Besagtes verflixtes T ist ein Puzzle aus nur 4 Teilen, die zu einem T zusammengesetzt werden. Und das ist in der Tat verflixt schwer. Es braucht gutes räumliches Denken, Abstraktionsvermögen und auch etwas Feinmotorik. In der aktuellen Sonderausstellung der Papiermühle Niederzwönitz „Vom Eisenhammer zur Luftfahrt-Hightech – 600 Jahre Industriekultur Zwönitz“ sind neben ausgewählten Kinderschuhen der Firma Trommler auch eben diese sowie weitere Werbeträger zu sehen. Da Spielzeug nicht nur hinter Glas zu bewundern, sondern auch zu bespielen sein sollte, hat das Museumsteam eine Nachbildung des verflixten Trommler-T’s erstellt, damit Groß und Klein selbst tüfteln und probieren können (Das Museumsteam musste auch eine Weile knobeln, bis es das originale Puzzle für die Vitrine richtig gelegt hatte). Eine weitere „großartige Idee von Trommler, um ihnen mehr Umsatz zu schaffen“ (wie es in der Broschüre von 1931 heißt) ist der Zirkus-Karton. Hier wurde der Schuhkarton in einen Ausschneidebogen verwandelt, dessen Figuren einen kompletten Zirkus ergeben. In der Broschüre steht: „Sie, als Geschäftsinhaber, haben es nun in der Hand, ein besseres und leichteres Geschäft zu machen, denn Sie können fortan zahlreichen Eltern, die nicht oder nur schwer gekauft haben würden, Trommler-Kinderschuhe verkaufen, weil die Kinder die neuen Spielkartons begehren werden.“ Ein solcher Zirkus oder unzerschnittener Karton fehlt noch in der Sammlung des Museums. Wenn Sie Spielzeug oder Werbeartikel jeglicher Form der Schuhfabrik Trommler besitzen, würde sich das Museum sehr über eine Schenkung oder Leihgabe freuen, um die Aufarbeitung der Zwönitzer Industriegeschichte weiter voranzutreiben. Die Firma Trommler hat frühzeitig erkannt, welche Komponenten es für eine erfolgreiche Werbung braucht. Wiederholung und Wiedererkennungswert steckten in den eingängigen, viel zu lesenden Slogans in Kombination mit dem Firmenlogo – trommelnde, marschierende Kinder. Die Belohnung erfolgte über das Spielzeug und andere Werbegeschenke. Und das Vorbild war auf zahlreichen Plakaten zu sehen – freudestrahlende, tollende, gesunde Kinder und adrette Jugendliche. Letztlich ist auch dieser Artikel nichts weiter als Werbung, wiederholte Werbung für das Museum und für die Ausstellung, hoffentlich nicht nervig, sondern unterhaltsam und dabei etwas lehrreich.
Text: Paula Stötzer