Anfang und Ende reichen sich die Hände. Dieses Sprichwort trifft auch auf die Knochenstampfe Dorfchemnitz zu! So verabschieden wir, die Stadt Zwönitz und das Museumsteam, den langjährigen Museumsleiter des Heimatmuseums – Jürgen Zabel und begrüßen seinen Nachfolger – Marco Blechschmidt (Foto unten links) sowie den neuen Technischen Museumsmitarbeiter Claus Uhlmann (Bild unten rechts), der ab 01.01.2022 das Museumsteam zusätzlich unterstützt. Doch bevor Jürgen Zabel seinen wohlverdienten Ruhestand antritt und den schweren Schlüsselbund abgibt, wollten wir die Gelegenheit für einen Rückblick nutzen und baten ihn um ein Interview.
- Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
Lieber Jürgen, wann und wie war dein erster Arbeitstag im Museum?
„Ich bin 1980 von Aue nach Dorfchemnitz gezogen und war dort zuerst mit dem Ausbau der Gaststätte beschäftigt, immer mit Blick auf die Knochenstampfe. 1992 konnte ich im Rahmen einer ABM 3 Jahre lang im Museum arbeiten, habe viel gelernt und bereits Führungen gegeben. Am 01.01.1999 hatte ich dann meinen ersten Arbeitstag als Museumsleiter der Knochenstampfe Dorfchemnitz und kann mich gut daran erinnern, dass ich zunächst Ordnung machte, das Büro einräumte,… Das erste Thema, das mich im Museum begeisterte war das Leben und Wirken Samuel von Pufendorfs. Ich habe den ersten Urlaub genutzt, um nach Schweden zu fahren, wo Pufendorf die meiste Zeit lehrte, recherchierte im Reichsarchiv zu dessen Lehren und Werdegang.“
- Aller Abschied ist schwer
Wann hast du deinen letzten Arbeitstag und wie wirst du ihn gestalten? Wie fühlst du dich bei dem Gedanken daran, bald deinen letzten Arbeitstag zu haben?
„Mein letzter Arbeitstag wird am 17.12.2021 sein. Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Das wird ein Tag wie jeder andere, ich mache die übliche Arbeit…“ Jürgen erinnert sich an Martin Wintermann, den Museumsgründer und sein großes Vorbild, wie er sagt, und muss schmunzeln: „Ich mache das wie Martin Wintermann, ich werfe den Schlüssel in den Briefkasten und gut. Doch das Museum einfach abhaken kann ich sicher nicht. Ich bin mit dem Museum verwachsen und würde jede Veränderung spüren.“ Nun lacht Jürgen und erzählt, wie Wintermann bis ins hohe Alter jeden Tag mit dem Fahrrad vorbeiradelte und nach dem Rechten sah. Vermutlich versteht er Wintermann jetzt besser denn je.
- Fakten, Fakten, Fakten
Wie viele Sonderausstellungen hast du während deiner Dienstzeit aufgebaut und gezeigt? Welche waren Besuchermagneten und welche deine persönlichen Highlights?
„Es waren genau 60 Ausstellungen. Die Ostereier lockten die meisten Besucher ins Museum.“ Er zuckt mit den Schultern und erklärt es sich so: „Klöppelei und Schnitzerei gibt es im Erzgebirge an jeder Ecke. Ich wollte etwas anderes zeigen und offenbar wollten die Leute auch mal was anderes sehen.“ Auf die Frage nach seiner Lieblingsausstellung antwortet er prompt: „Die Ausstellung zu den verbotenen Souvenirs, mit tollen Leihgaben aus dem Naturkundemuseum Dresden. Ich hatte auch etwas vom Zoll!“ Jürgen erinnert sich an eine riesige Muschel, die kaum durch die Tür passte. Plötzlich kommen so viele Erinnerungen hoch, dass er lacht und ein tolle Geschichte nach der anderen parat hat: „Wir hatten eine Ausstellung zu Tabakpfeifen. Die war eine echte Überraschung. Ärzte haben davor Schlange gestanden und genüsslich geraucht, ausgerechnet die weißen Kittel, die einem sonst davon abraten.“
- Mit einem lachenden und einem weinenden Auge
Was sind die schönsten Erinnerungen an deine Zeit im Museum? Was wirst du vermissen und was nicht?
„Vermissen werde ich die Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen. Ich frage die Besucher, woher sie kommen und ob sie vielleicht auch eine Sammelleidenschaft hegen. Ich hatte immer das Glück, die richtigen Leute kennenzulernen. Da war zum Beispiel eine Frau aus Göppingen hier im Museum und erzählte, dass sie selber Porzellanpuppen herstellt. Das musste ich mir einfach angucken, also bin ich gleich am Montag hingefahren. Das war irre! Auf die Weise entstanden tolle Kontakte und Ideen für weitere Sonderausstellungen und manchmal sogar Freundschaften.“ Die schlechten Erinnerungen, die Jürgen an seine Dienstzeit hat, sind im Vergleich wenige und für ihn kaum bedeutende. Wenn er etwas konkret benennen müsste, dann seien es die Dienste an Feiertagen und Wochenenden: „Natürlich ist das so im Museum, doch immer allein zu sein und an den Tagen arbeiten zu müssen, an denen andere etwas unternehmen, ist schon eine Belastung für Familie und Freundschaft.“
- Zukunftsmusik
Was sind deine Zukunftswünsche für das Museum? Welche Ratschläge hast du für deine Nachfolger?
„Ich wünsche mir, dass alle geplanten Vorhaben und Baumaßnahmen an der Knochenstampfe auch durchgezogen werden. So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben und so geht’s auch nicht weiter. Großzügigere Flächen, ein insgesamt einladendes Gesamtbild wären schön und natürlich, wenn die Weihnachtsberge wieder allen gezeigt werden können.“ Sein Tipp für die Nachfolger ist schlicht: „Sie sollen sich nichts gefallen lassen und ihr Ding durchziehen!“ – ein häufiger Rat, den Jürgen als selbsternannter Einzelkämpfer mit einem Augenzwinkern erteilt und sich daran erinnert, dass Martin Wintermann ihm damals auch schon diesen Tipp mit auf den Weg gab.
- Rentner im Unruhestand?
Bleibst du dem Museum treu oder warten andere spannende Abenteuer und Projekte auf dich?
„Wie gesagt, einfach abhaken kann ich das Museum nicht. Ich werde bestimmt hin und wieder gucken, was sich verändert. Ich will ein Buch schreiben über meine Erlebnisse im Museum.“ Das scheint ein lang gehegter Wunsch zu sein, denn Jürgen erklärt voller Eifer, er schreibe gern und habe viele Geschichten über die Jahre gesammelt. Außerdem will er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. „Ich mache auch gerne Langlauf, freue mich darauf, mich bald mit Freunden zu Fußballspielen zu verabreden,…“ Verblüffend ist seine Tätigkeit als Schöffe am Amtsgericht Aue. Das ist neben der Museumsarbeit seine zweite Leidenschaft, erzählt er und versichert, er werde das noch ein paar Jahre machen.
- Liebesbriefe
Gibt es Gästebucheinträge, E-Mails, Dankschreiben oder Kommentare, über die du dich besonders gefreut hast, die dich zum Lachen gebracht haben und die du gern mit uns teilen möchtest?
Jürgen kramt ein Buch hervor: „Zum 3. Advent 2000 waren Besucher da und ganz angetan von der historischen Strumpfwirkerstube. Ich bekam per Post eine Dankeskarte und ein Buch lag auch dabei – der Quersackindianer von Eberhard Frowein – ein Roman von 1936 über die Strumpfwirkerei und Textilindustrie im Chemnitzer Raum.“ Jürgen fällt ein: „Da war mal eine Bikergruppe aus Bautzen hier, die zur Osterausstellung kam und mich begrüßte mit: Ey, wir wollen deine Eier sehen.“ Alle lachten, sagt er. „Man muss auch Spaß verstehen!“ Gästebucheinträge gibt es weniger, Jürgen sucht lieber den Kontakt und kommt mit den Leuten ins Gespräch. So seien neulich Besucher aus Südtirol angereist, die ihm erzählten, sie haben „die Klunker“ 2016 in Innsbruck gesehen und wollten die Ausstellung unbedingt im Erzgebirge sehen. Während Jürgen diese Geschichten erzählt, strahlt er selbst wie ein Königsschatz. Nach dem Interview ruft er aufgeregt an, weil ihm noch die Krönung aller Danksagungen einfällt: „Da kam ein Schreiben von der Schwedischen Königsfamilie, eine Würdigung zur Einweihung der Puppe von Pufendorf. Das war der Oberhammer!“
- Museumsgäste und andere Katastrophen
Diebstahl, Hochwasser, Feuer … was ist dir in deinen Dienstjahren im Museum widerfahren?
„Ich bin zum Glück verschont geblieben… Wir hatten anfangs Probleme mit der Bauernstube, da gab es wilde Feiern und die Räume waren danach völlig verwüstet…Aber der Knaller war der Typ aus Bayern, der mit sichtbarem Colt am Gürtel spazieren ging. Er legte sein Schießeisen in der Gaststube offen auf den Tisch, wie in einem Western. Da riefen mich die Wirte an und warnten vor einem Bandit, der auch noch ins Museum kommen und es ausrauben könnte. Er kam tatsächlich, mit Colt am Gürtel, als wäre es völlig normal.“ Er habe aber weder gezielt noch geschossen und im Museum fehlt nichts, beschwichtigt Jürgen.
- Jäger und Sammler
Hegst du persönlich eine Sammelleidenschaft? Eingestaubt oder hinter Glas, sieht es bei dir zuhause auch wie in einem Museum aus?
Auf die Frage kommt ein ganz bestimmtes: „Nee, nee!“ Er sei höchstens ein „Bücherfreak“. Er mag Sachbücher, interessiert sich für die alte deutsche Kulturgeschichte und war früher sogar mal im Heimatforscherverein, erzählt er.
- Wenn ich mal groß bin,…
Was war dein Berufswunsch in Kindertagen?
„Eigentlich wollte ich immer Architekt werden. Mich faszinieren alte Gebäude, vor allem Fachwerkhäuser und egal wo ich bin, ich muss in jede Kirche gehen. Aber wenn ich es mir recht überlege, kommt die Museumsarbeit den kindlichen Vorstellungen recht nahe. Ich bin zufrieden, etwas Neues geschaffen und das Dorfmuseum bekannter gemacht zu haben. Ich habe dabei interessante Menschen kennengelernt und das ist das Schönste an dem Job.“
Text: Paula Stötzer