Bild Titelblatt der Günther-Tabellen

Jeder, der mit einer gewissen Leidenschaft einem Hobby nachgeht, kann mitfühlen, welche Freude ein völlig unerwarteter Fund auslösen kann, der gerade dieses Hobby betrifft. Gleich zu Beginn dieses Jahres durfte ich Archivgut betrachten, für das sich sehr wahrscheinlich sehr lange Zeit niemand interessiert hat und das aber für die Genealogie und Heimatgeschichte von Niederzwönitz nicht unbedeutend ist. Im Dezember letzten Jahres erschien im Anzeiger ein mehrteiliger Artikel, der versuchte, die Entwicklung des als Bergmeistergutes bekannten Hauses vom einfachen Bauerngut zu einem repräsentativen Gebäude nachzuzeichnen. Der Fund gibt mir die Gelegenheit, damals getroffene Aussagen zu ergänzen bzw. zu bestätigen. Wie kam es zu dem Fund? Ein bisher wahrscheinlich unbeachtet gebliebener Brief im Ahnenstübchen gab den Hinweis auf eine Spur, die ich Ende letzten Jahres aufnahm. Der Brief war 1936 vom Bürgermeister von Zschopau an das Pfarramt von Niederzwönitz gesendet worden und informierte darüber, dass sich im Bestand der dortigen Stadtbibliothek Aufzeichnungen zum Güntherischen Geschlecht in Niederzwönitz, verfasst von Pfarrer Andreas Franz, befinden. Die Leiterin der Stadtbibliothek, Frau Dost, gab meine Anfrage zu diesem Dokument zu meinem Glück an das Stadtarchiv weiter. Am Dienstag nach Weihnachten kam die Meldung: Das Gesuchte ist gefunden. Am 03.01. durfte ich das Dokument im Archiv einsehen. Bei der Leiterin, Frau Kahl, sowie bei Frau Dost bedanke ich mich ganz herzlich für die unkomplizierte und unbürokratische Handlungsweise bei dieser Aktion. Was beinhaltet der Fund? Wie auf dem Titelblatt (siehe Bild) zu lesen, hat Pfarrer Andreas Franz darin Angaben zum Güntherischen Geschlecht in Niederzwönitz erstellt1. Er wurde in Chemnitz geboren und war von 1704 bis 1753 Pfarrer in Niederzwönitz2. Zu seinen Aufgaben gehörte, wie jahrhundertelang in den Pfarrämtern üblich, das Erstellen von Kirchenbüchern. In den evangel.-luth. Ämtern waren das Tauf-, Trau- und Bestattungsbücher. In unserer Region beginnen die Eintragungen etwa um 1600. Leider sind die ältesten Bücher von Niederzwönitz nicht mehr vorhanden. Im erst 2022 neu eröffneten Archiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche von Sachsen in Dresden, sind Kirchenbücher von Niederzwönitz erst ab 1757 einsehbar. Pfarrer Franz begann 1712 mit der Erstellung von Familienbüchern3. Diese Bücher dienten den Pfarrern während ihrer Dienstzeit und besonders deren Nachfolgern dazu, schnell einen Überblick über die in einer Familie lebenden Personen zu bekommen. Sie enthielten auf einer Seite Informationen zu den Eheleuten, oft Angaben zu deren Eltern und Daten zu den geborenen Kindern. Wichtig sind die Verweise darauf, in welchem Buch und auf welcher Seite ein geborenes Kind wieder als Ehepartner oder -partnerin verzeichnet ist. Dadurch war es möglich, relativ einfach über Generationen hinweg, Vorfahren oder Nachkommen zu ermitteln. Außerdem boten die Bücher Gelegenheit, besondere Vorkommnisse oder Merkwürdigkeiten zu notieren. Dank dieser Familienbücher gibt es für Niederzwönitz Informationen, die bis vor 1650 reichen. Wie die eigentlichen Kirchenbücher bzw. -register sind die Familienbücher Bestandteil der jeweiligen Kirchenarchive. Das in Zschopau gefundene Material, von Pfarrer Franz als Tabellen bezeichnet, war sehr wahrscheinlich kein Bestandteil des Kirchenarchives. Aufgebaut wie die Familienbücher, enthält es zusammengefasst Angaben zu dem Günther- Geschlecht, in das der Pfarrer selbst einheiratete. Diese Seiten, die sehr sauber und deutlich lesbar geschrieben sind, waren vermutlich von Anfang an für den privaten Gebrauch bestimmt. Warum sollte er auch parallel zu den dienstlich genutzten Familienbüchern noch etwas ähnliches erstellen? Auf welchem Weg dann die zu einem kleinen Buch gebundenen Tabellen nach Zschopau kamen, ist unbekannt. Kleine Notizen auf einzelnen Seiten deuten darauf hin, dass etwa vor 100 Jahren das letzte Mal mit dem Material gearbeitet wurde. Welche Informationen liefern die Tabellen? Der Familienname (FN) Günther ist in Zwönitz und Umgebung häufig anzutreffen. Wie andere FN auch, wurde er direkt aus einem Rufnamen abgeleitet4. Wenn Pfarrer Franz von dem Günther-Geschlecht schreibt, dann meint er das, welches über 4 Generationen im Besitz des späteren Bergmeistergutes war. 1616, also noch vor dem Dreißigjährigen Krieg, erwarb es ein Christoph Günther, von dem nur bekannt ist, dass er sich in Hormersdorf verheiratete. Sein Sohn Georg, geboren 1632, übernahm das Gut 1652. Von dieser Person sind auf Tabelle 1 erstmals konkrete genealogische Angaben und Informationen zu seinen Kindern sowie deren Ehepartnern zu lesen. Diese Daten haben Einfluss auf die nach 1990 erstellten Familienbücher von Zwönitz, Niederzwönitz und Hormersdorf. Sehr interessant ist die Heiratspolitik der Familie, an welcher ihr gesellschaftlicher Stand erkennbar ist. Eine Tochter dieses Georg verheiratete sich mit einem Herrn Österreich, der Verwalter des Hochadelig-Schönbergischen Hofes, sprich dem Rittergut, in Niederzwönitz war. Sogar in die Ferne zog ein Sohn mit Namen Gottfried. Er wurde Papiermacher und nach seiner Heirat Erbherr der Güter von Ecker und Nausseden in Ostpreußen. Heute gehört dieses Gebiet zu Kaliningrad / Königsberg. Seine Nachkommen verheirateten sich in der neuen Heimat. Mit dem Tod von Georg Friedrich G. 1742 endete die Ära dieses Günther-Geschlechtes im späteren Bergmeistergut. Über seine Witwe wurden die Wunnerlichs aus Hof in Franken die neuen Besitzer. Obwohl es noch heute den FN Günther in Zwönitz und Umgebung gibt, lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit keine männliche Linie auf dieses Geschlecht zurückführen. Um eine endgültige Aussage zu dieser Frage geben zu können, wäre eine sehr genaue Analyse aller Günther-Linien notwendig. Das würde aber den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Erwähnt soll noch werden, dass die Berufe der Besitzer des späteren Bergmeistergutes mit dem FN Günther immer mit Landfuhrmann bzw. als Salzund Papierhändler angegeben werden. Damit wird die getroffene Behauptung voll bestätigt, dass die eindrucksvolle Entwicklung dieses Hauses auf einen erfolgreichen Salz- und Papierhandel basiert.

Text: Andreas Lippold

Bild: Titelblatt der Günther-Tabellen

Quellen:

1 Stadtarchiv Zschopau; Archivgut Nr.: Abt. I, Abschnitt 5, 158 / a 2 Häuserbuch, Niederzwönitz, Geschichte der Häuser; Siegfried Wetzel, Alfred Schreier, Rico Ronny Schubert, Stefan Schneider; Stadtverwaltung Zwönitz, S. 190, 2005 3 Kirchgemeinde St. Johannis, Niederzwönitz, Familienbuch A; Jetzt lebendes Nieder=Zwönitz oder Genealogische Beschreibung derer sämtlichen Innwohner allhier, nach deren Geburt, Verheyrathung, Kinder und erfolgten Absterben, auch bißweilen dabey sich ereignete Begebenheiten und Merckwürdigkeiten, angefangen den 11. Julii, Anno 1712 von M. Andrea Franzen, Pastore in NiederZwönitz 4 Kunze, Konrad; Namenkunde; Deutscher Taschenbuch Verlag; dtv-Atlas; 2004; S. 19-30