Der 07.November 1938, ein Montagabend, als Flugzeugmotorengeräusch im Dorf zu hören war. In diesen Jahren in unserer Gegend durchaus noch nicht alltäglich. Gegen 19.00 Uhr und schon stockfinster. Es war also nicht möglich, genau auszumachen, von wo und in welche Richtung das Flugzeug flog. Es zog wieder Ruhe im Tal ein. Kaum jemand ahnte bzw. wusste, welche Aufregung dieser Überflug am kommenden Morgen bringen würde. Bürgermeister, Polizei, Arzt, möglicher Weise auch Militär, viele Fahrzeuge auf der Dorfstraße. Der Auflauf konzentrierte sich am Feldweg Richtung Höhenzug/Grenze Oberaffalter (siehe Karte). Was war geschehen? Um überhaupt von diesem mysteriösen Fall zu erfahren, müssen wir letztlich in den Akten des Standesamtes Zwönitz suchen. Im Sterbebuch Nr. 59 am 08.11.1938 findet sich folgender amtliche Eintrag durch den Standesbeamten. Wortlaut: „der Tote ist am 07. Nov. 1938 um 20.15 Uhr in Lenkersdorf auf dem Flurstück 221 tot aufgefunden worden. Personalie: Der Uffz . im VIII. Kampfgeschwader 255 A. J. Reuß in Memmingen, Eltern wohnhaft in München. Die Meldung erfolgt auf schriftliche Anzeige des Bürgermeisters zu Lenkersdorf bei Zwönitz. Der Tod ist am 07.11.1938 gegen 19.20 Uhr eingetreten. Todesursache: Nichtöffnen des Fallschirmes beim Absprung aus dem Flugzeug.“ Weder die regionale Presse noch sonstige Unterlagen berichten von diesem Unfall. Ein etwaiger Flugzeugabsturz? Unwahrscheinlich. War es ein Suizid oder Unfall in der Pilotenkanzel? War er Fallschirmjäger? Kein weiterer Hinweis bisher zu finden als jener des Zwönitzer Standesamtseintrages. Auf der Suche/Klärung nach Einzelheiten/Hintergründen zu diesem Vorfall ersuchte ich um Hilfe beim „Bundesarchiv Abteilung Personenbezogene Auskünfte zum Ersten und Zweiten Weltkrieg (ehemals WASt) Berlin“ und dem „Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv Freiburg“. Beide konnten keinerlei Hinweise geben. Auch das Archiv für Flugunfälle (Zivil und Militär) hat nichts verzeichnet. Hinweise aus der Bevölkerung sind, biologisch bedingt, kaum noch zu ermitteln. Helga Schauer (geb.Leßmüller), Bäuerin in Lenkersdorf, erinnerte sich: „Meine Mutter Martha Leßmüller erzählte mir einmal. (sinngemäß) `Der Körper des Toten war durch den Einschlag in die Erde wie hineingebohrt. Lediglich ein Stiefel ragte aus der entstandenen Grube. Wer den Leichnam ausgegraben und abtransportiert hat weiß ich nicht. Das Ganze war recht geheimnisvoll gehandhabt worden. Über das Warum oder Weshalb wurde nicht groß gesprochen. Auch wußten wir nicht wer der Tote gewesen ist, das es ein Soldat war, sprach sich erst herum`.“ Viele Fragen, wovon die meisten unbeantwortet bleiben werden. Fallschirmjäger waren nicht involviert. War es denn ein gewollter Absprung? Wie kamen die Daten für die Sterbemeldung zustande? Die Todesstunde 19.20Uhr. Sicherlich durch die Besatzung so exakt festgehalten. Wer befand sich 20.15Uhr dort draußen im Feld, im Finstern? Zufall? Oder wurde Bürgermeister Günther über sein Diensttelefon sofort alarmiert und losgeschickt? Hatte er Helfer? Wer alarmierte ihn? Hatte die Flugzeugbesatzung (max.4 Mann) der Do 17 über Funk eine entsprechende Meldung abgegeben und eine festgelegte Alarmierungsstrecke in Gang gesetzt? Übernahm das Militär die ganze Angelegenheit? Wurde Stillschweigen angeordnet? Der Zweck des Fluges bleibt im Dunkeln, samt Zwischenfall, Start und Landung. Sicherlich wurde der tote Körper nach einer möglichen Obduktion seinen Eltern in München zur Beisetzung übergeben. (Nicht mehr Gegenstand dieser Untersuchung.) So hatte Lenkersdorf 10 Monate vor Kriegsbeginn bereits erlebt wie es sich anfühlt, einen gefallenen Angehörigen der Wehrmacht (hier Luftwaffe) bedauern zu müssen. Es würden weitere, dann auch Ortsansässige, folgen. Zu viele!
Text/Bilder: Stefan Schneider
Titelfoto: Foto einer Do 17 (Geschwader Edelweiß),
stationiert Fliegerhorst Memmingen