Junge Akademiker aus den Disziplinen Heritage Studies, Denkmalpflege, Restaurierung, Architektur und Archäologie waren zu Gast in der Bergstadt, um die Papiermüller und Museumsleute bei Fragen der Restaurierung, Konservierung und Bauforschung mit ihren vielfältigen Fähigkeiten und Erfahrungen zu unterstützen. Wie kam es dazu? Seit mehr als 20 Jahren organisiert der Verein European Heritage Volunteers (kurz EHV) Freiwilligenprojekte und Kurse in ganz Europa auf dem Gebiet des Denkmalschutzes und der Erhaltung, Konservierung und Restaurierung kulturellen Erbes. Die Arbeitsfelder reichen hierbei von archäologischen Ausgrabungen über die Restaurierung von Bildwerken über Baudenkmalpflege bis hin zu Arbeiten an wertvollem historischen Archivgut. Teilnehmer der Projekte können zugleich ihre eigenen Fähigkeiten und Erfahrungshorizonte erweitern und ihre bereits erworbenen Kenntnisse in die Erhaltung und Restaurierung von Kulturerbestätten einfließen lassen und sich im Rahmen eines Kultur- und Weiterbildungsprogrammes ein Bild von der jeweiligen Kulturregion machen. Seit 2018 besteht eine Partnerschaft zwischen dem EHV und dem Welterbe Montanregion Erzgebirge e. V. So kam in der Vergangenheit beispielsweise auch das Projekt der Befestigung des Röhrgrabens in Ehrenfriedersdorf zustande. Mit Blick auf die Chancen, die ein solches Projekt auch für die Papiermühle bot und angesichts stagnierender Bautätigkeit, beschloss das Team der Heimatwelten Zwönitz Ende 2023 einen kurzen Projektentwurf einzureichen. Eine streckenweise Sanierung des Niederzwönitzer Mühlgrabens wurde geplant, kombiniert mit Wartungs-, Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten an Wasserrad und Maschinenpark sowie einer wissenschaftlichen Dokumentation der Mühlgrabenstrukturen. Am 17.08. war es dann soweit. 14 junge Wissenschaftler aus zwölf Nationen und von fünf Kontinenten, teilweise im Erststudium, im Masterstudium oder bereits berufstätig, erreichten den Bahnhof Niederzwönitz und bezogen Quartier auf dem Vereinsgelände des Tennis-, Turnund Skivereins 1859 Zwönitz e.V. am Brettmühlteich.
In den folgenden zwei Wochen wurden Teile des Mühlgrabens gereinigt, Eichenstämme entrindet und die Uferbefestigung wiederhergestellt. André Schumann von der Firma Mühlenbau Schumann aus Mulda erklärte historische Wasserradtechnik und erhielt fachmännische Hilfe von den Freiwilligen. Ein Teil des Mühlgrabens auf Höhe des Papiermühlengebäudes wurde ausgeschlämmt und, soweit bei ständig nachlaufendem Grundwasser möglich, bis auf den Felsen gereinigt. Ziel war es, dort im anstehenden Fels Hinweise auf historische Baueingriffe und den historischen Standort der Wassertechnik des 17. und 18. Jahrhunderts ausmachen zu können. Zu diesem Zweck wurden Vorbereitungen getroffen, um den gesamten Mühlgraben fotogrammetrisch (also durch Erstellung maßgenau entzerrter georeferenzierter Bilder) sowie in Form eines sogenannten structure from motion 3D-Modelles (Bildmitte) zu dokumentieren. Martin Wachsmuth (Smart City) leitete die hierfür notwendigen Vermessungsarbeiten, die dann von der österreichischen Architektin Cosma Kremser und der chinesischen Archäologin Yi Cai weitergeführt wurden. Museumsmitarbeiter Marco Blechschmidt ließ sein archäologisches Know How in die sachgemäße Dokumentation der Grabenstrukturen einfließen, unterstützt unter anderem durch die australische Archäologin Shari Bone. Die eher handfesten und körperlich anspruchsvolleren Sanierungsarbeiten am oberen Mühlgraben wurden angeleitet durch den technischen Mitarbeiter Claus Uhlmann.
Im inneren der Papiermühle wurde der Maschinenpark unter der fachkundigen Anleitung von Falk Zinke umfassend gewartet, geschmiert und in Teilen restauriert (Bild Seite 2 unten). So erfuhr der 1890 gebaute Pappenaufzug eine denkmalgerechte Alterskur und Lichthaus sowie Trockenkanal wurden soweit instandgesetzt, dass sie künftig wieder Besuchern vorgeführt werden können. Darüber hinaus kartierten Architekturstudent Max Píñar aus Spanien und Denkmalpflegerin Alex Fraser aus Großbritannien den gesamten Maschinenpark und die gesamte Transmission inklusive heute funktionsloser Riemenscheiben und aller Schmierstellen und überführten diese Beobachtungen in eine professionelle Architektenzeichnung, die künftig als Basis für weitere Dokumentations-, Forschungs- und Restaurierungsarbeiten dienen wird und eine wertvolle Grundlage für die Wartung des Maschinenparks bildet. Die Reinigung und Dokumentation des in den anstehenden Felsen geschlagenen Mühlgrabens erbrachte neue Puzzleteile für die Erforschung der Mühlengeschichte. So deuten spärliche aber deutlich erkennbare Abarbeitungen den Standort der Wassertechnik des 17. und 18. Jahrhunderts an. Mehrere Ausspülungen entlang des Grabenverlaufes lassen erahnen, wo das Wasserbett der Mühle in früheren Dekaden geendet haben könnte. Stetes Wasser höhlt den Stein. Weitere Untersuchungen werden folgen müssen, um genau rekonstruieren zu können, wo sich das Wasserrad im 17. Jahrhundert befand und das Lumpenstampfwerk im ältesten Gebäudeteil der Papiermühle antrieb. Es bleibt also spannend. Von den Freiwilligen ausgewählte Lesefunde, die bei den Arbeiten am Mühlgraben zum Vorschein kamen, werden künftig in einer Vitrine in der Dauerausstellung der Papiermühle präsentiert und lassen Besucher ein Stück weit an diesem Kapitel der jüngsten Mühlengeschichte teilhaben. Parallel zu den Arbeiten an der Papiermühle bekamen die Freiwilligen die Gelegenheit sich durch ein vielfältiges Ausflugsprogramm ihr eigenes Bild von der Montanregion zu machen. Organisiert durch den Welterbeverein und durch die Zwönitzer Gastgeber fanden Exkursionen in das Bergbaugebiet Rother Berg in Erla und in die Bergstadt Annaberg- Buchholz sowie Führungen in der Knochenstampfe Dorfchemnitz und in den Restaurierungswerkstätten der Restauration Werner Zinke GmbH statt. Im Rahmen einer Festveranstaltung im Kongresssaal des Buntspeichers stellten die Freiwilligen Industriedenkmäler ihrer Herkunftsländer vor und erörterten Chancen und Probleme bei der Umnutzung solcher Denkmäler. Anschließend bot sich bei Snacks und Getränken auch für Zwönitzer Bürger die Möglichkeit für ein Gespräch mit den Freiwilligen. Das Museumsteam ist immer noch überwältigt von den Ergebnissen. Das Denkmalensemble hat in so kurzer Zeit eine deutliche Aufwertung erfahren, pünktlich zum 40-jährigen Museumsjubiläum. DANKE an alle Freiwilligen und Projektpartner sowie an das Smart-City Team der Stadt Zwönitz und an André Schumann, Falk Zinke und Ralf Espig! Mit guten Ideen und Engagement lassen sich Projekte dieser Art gut und gerne wiederholen.
Text: Marco Blechschmidt, Titelfoto: Georg Ulrich Dostmann