Liebe Zwönitzer, Zum Volkstrauertag treffen sich in Deutschland Bürger an Gräbern und Gedenkstätten, um den Opfern von Kriegen, von Diktaturen, von Gewalt aller Art zu gedenken, von Menschen, die aufgrund ihres Glaubens, ihrer Weltanschauung, verfolgt, diskriminiert oder getötet wurden. Dieses Jahr ist das nicht möglich, vergessen sollten wir diesen Gedenktag aber keinesfalls, zumal Gewalt und Kriege in dieser Welt für viele Völker noch zum Alltag gehören. Als im Juni 1930 dieses Denkmal eingeweiht wurde, war der erste Weltkrieg 12 Jahre vorbei, von 314 Dorfchemnitzer Männern, die in den Krieg ziehen mussten, waren 56 gefallen. Auf einer Bescheinigung im Wehrpass meines Großvaters, Jahrgang 1895, der erst Mitte der 20er Jahre nach Dorfchemnitz gezogen war, findet sich der Vermerk, „Stellungskämpfer im Artois und Kämpfer in der Siegfriedlinie“. Er hatte Glück, wurde nur verwundet, konnte eine Familie gründen und 1928 in Dorfchemnitz ein Haus bauen. Viele andere junge Männer mussten für die Interessen der Imperialisten ihr Leben lassen und hinterließen Frau und Kinder. Schon wenige Jahre später kamen die Faschisten an die Macht, die sofort begannen Andersdenkende zu verfolgen, einzusperren und umzubringen. Der vom sogenannten „Dritten Reich“ begonnene zweite Weltkrieg forderte ca. 50 Millionen Tote. Darunter mindestens 5 Millionen Juden, die systematisch deportiert und ermordet wurden. Das führte die Bezeichnung vom großen Krieg für den ersten Weltkrieg ad absurdum. Aber das Leid ging nach 1945 weiter, aufgrund von Beschlüssen der alliierten Siegermächte wurden Deutsche aus ihrer Heimat umgesiedelt, vertrieben. Mit großer Brutalität geschah das unter den kommunistischen Diktaturen im Osten Europas, die unter der Führung der damaligen Sowjetunion entstanden. Wenn diese Aktionen auch eine direkte Folge des vom Deutschen Reich angezettelten Krieg waren, lässt sich dadurch die Brutalität und Gewalt gegenüber Menschen keinesfalls rechtfertigen. Auch über 75 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges werden Menschen aus den genannten Gründen verfolgt und getötet. Und das nicht nur in Staaten, die von Diktaturen beherrscht werden, auch in Deutschland werden Menschen diskriminiert und angegriffen, ja sogar getötet! Das mögen nur Einzelfälle sein, aber jeder Fall ist einer zu viel. Ein hohes Gut ist in unserem Grundgesetz die Meinungs- und Religionsfreiheit. Das gilt für alle Menschen, die in Deutschland leben, die hier arbeiten, auch für die Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, um Unterdrückung und Verfolgung zu entgehen. Jeder hat hier das Recht, seine Meinung zu sagen, seinen Glauben zu leben und nach seinen Idealen zu streben, wohlgemerkt immer auf Grundlage des Grundgesetztes. Das schließt ein, den Glauben und die Meinung von allen anderen zu akzeptieren, selbst wenn es schwer fällt. „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“, dieses Zitat von Rosa Luxemburg gilt selbst, wenn wir die Meinung und Ansichten einiger Mitmenschen sehr skeptisch oder kritisch sehen. Reden, sich austauschen, streiten, Kompromisse machen, das sind Grundlagen des menschlichen Miteinanders. Gewalt ist keine Lösung und bringt nur Leid und Trauer über Unschuldige, das lehrt uns die Geschichte. Wir gedenken am Volkstrauertag aller Soldaten, die in Kriegen oder der Gefangenschaft ums Leben kamen, an Frauen und Kinder, die Opfer der Grausamkeiten in Kriegen und in der Nachkriegszeit wurden. Wir gedenken der Menschen, die während der Herrschaft der Nationalsozialisten Widerstand leisteten und dafür verfolgt und zum Tode verurteilt wurden. Wir gedenken der Opfer von Gewaltherrschaften, der Menschen, die an der deutsch-deutschen Grenze ums Leben kamen, die in Diktaturen verfolgt und unschuldig verurteilt wurden und werden. Wir gedenken der Menschen in aller Welt, die wegen ihrer Weltanschauung, ihres Glaubens oder ihrer Hautfarbe verfolgt und getötet wurden und werden. Gleichzeitig aber steht unser Leben im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt. Claus Uhlmann Ortsvorsteher Dorfchemnitz

Der Posaunenchor der Landeskirchlichen Gemeinschaft Dorfchemnitz spielte auf.