Ein anonymer Brief im Posteingang. Ich öffne den Umschlag und halte ein Büchlein in der Hand – „Das Impfbuch für alle“. Ein beiliegender Zettel fordert mich auf: „Helfen Sie als Stadt Zwönitz mit, die Bewohner aufzuklären“!
Ich komme ins Stutzen. Haben wir als Stadt nicht gerade dem DRK kostenlos Räumlichkeiten für ein mobiles Impfteam bereitgestellt? Musste ich nicht gerade erfahren, dass die Impfwilligen teilweise über vier Stunden in der Kälte auf ihre Impfung gewartet haben und etliche gar nicht mehr drankamen? Soll ich als Bürgermeister Werbung für die Impfung machen, damit sich die Wartezeit zum nächsten Impftermin am 1. Dezember auf fünf Stunden erhöht? Und warum traut sich der Absender nicht, seinen Namen anzugeben?
Die Welt steht Kopf. Natürlich halte ich das Impfen für einen notwendigen Beitrag, um das normale Leben trotz Covid möglichst bald wiederzubekommen. Mittlerweile ist meine ganze Familie geimpft, mit Ausnahme meines zehnjährigen Sohnes. Und wer sich noch unsicher ist, der sollte sich das Impfbüchlein mit Beiträgen von Eckart von Hirschhausen in den Apotheken holen oder bei www.dasimpfbuch.de reinschauen. Doch genauso wichtig ist es, dass Bundes- und Landesregierung endlich die Notwendigkeit begreifen, erst vernünftige Voraussetzungen zu schaffen, bevor man die Menschen mit massiven Medienkampagnen massenweise zu den Ärzten schickt. Wie kann man die Impfzentren erst schließen und nun wieder nach ihnen rufen? Das DRK trifft keine Schuld. Die emsigen Mitarbeiter haben in Zwönitz an einem Tag 173 Personen geimpft, ein neuer Rekord für ein Team mit nur einem Arzt. Und als kurz vor sechs die Koffer endlich im Auto verstaut waren, ging es nochmal ins Büro, um Schriftkram zu erledigen und die Koffer für den nächsten Tag zu packen.
Doch neben dem Impfproblem gibt es noch eine weitere Baustelle. Per Beschluss der Bundesregierung werden seit dem 10. Oktober die Kosten für die Schnelltests nicht mehr erstattet. Daraufhin hat die Stadt die kommunale Teststelle geschlossen, um wenigstens das Überleben des privat geführten Testzentrums in der Lößnitzer Straße zu ermöglichen. Doch die Zahl der Testungen ging derart stark zurück, sodass auch diese Einrichtung aus wirtschaftlichen Gründen am 31. Oktober schließen musste. Auf maximal zehn Tests pro Tag schrumpfte der Bedarf für ganz Zwönitz. Nur einen Monat nach Auslaufen der Kostenerstattung verkünden nun die Ampelparteien im Bund, dass die Bürger ab sofort wieder ein Anrecht auf einen kostenlosen Test pro Woche haben. Das Wirrwar ist perfekt. Nun ist der Mietvertrag in der Lößnitzer Straße gekündigt, die Ausstattung ausgeräumt und das Personal entlassen. Mit einem derartigen Hickhack treiben die Politiker in Bund und Land die Gewerbetreibenden und uns Bürger an den Rand der Verzweiflung. Der ehemalige Testzentrumsbetreiber versucht nun mit Hochdruck die Rolle rückwärts und will wieder starten, sobald es ihm möglich ist. Bis dahin bleibt das Mehrgenerationenhaus die einzige Schnellteststelle in Zwönitz. Montag bis Freitag werden hier von 8.00 bis 14.00 Uhr Tests angeboten, jedoch ausschließlich nach telefonischer Voranmeldung unter der 037754-32615.
Bleibt noch die Frage, wozu ich einen kostenlosen Bürgertest brauche, wenn unsere Landesregierung das Heil weiterhin in 2G sieht oder demnächst gar einen Lockdown verhängt. Wir bekommen hierfür sicher als bald eine Erklärung, nur werden wir sie auch verstehen?
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
ich kann die Verunsicherung vieler und den angestauten Frust gut nachvollziehen. Seien Sie versichert, dass ich als Bürgermeister mit Stadtrat und Verwaltung gemeinsam weiterhin alles Mögliche tun werde, um auf die augenscheinlichen Missstände bei den politischen Entscheidungen hinzuweisen und deren negative Folgen zu minimieren. Aber trotz allem müssen wir das Virus ernst nehmen.
Mit einem herzlichen Glückauf
Bürgermeister Wolfgang Triebert