Gedenken, Erinnern, Inne halten, still werden – zu Ehren derer, die Opfer von Gewalt, Gewaltherrschaft, Krieg und Verfolgung geworden sind. Wir gedenken denen, die in der Vergangenheit – in den beiden Weltkriegen – aber auch in der Gegenwart Ihr Leben verloren haben. Krieg, Krisenherde, Unterdrückung und Gewalt sind keine Geschichte, sondern gehören nach wie vor zum Alltag des menschlichen Lebens weltweit. Gedenken ist also zeitgemäß und aktuell, denn Vergessen, Gleichgültigkeit, Hinnehmen oder gar verleugnen dürfen nicht geschehen. Ich stehe hier als Vertreterin einer Generation, die die beiden Weltkriege aus den Geschichtsbüchern oder den Erzählungen von Großeltern und Urgroßeltern kennt. Die Eindrücke aus dieser Zeit sind überliefert, die Bilder nicht selbst erlebt – Trauer, Wut und Zerstörung lassen sich nicht im geringsten nachempfinden. Aber es ist klar, das wir eine Aufgabe haben. Jetzt, ganz aktuell, spürt man eine große Kluft zwischen Menschen. Ein Thema, Corona, spaltet, wühlt auf, trennt… Wir bewegen uns voneinander weg, nicht aufeinander zu. Diese Situation zeigt uns deutlich, wie wichtig es ist, zu Gedenken – Vergangenheit als Lehre. Unsere Freiheit, demokratische Werte und Ordnung, die Achtung von Menschenwürde und anderer Meinung sind hohe Güter unserer Zeit und des friedlichen Zusammenlebens. Zusammenhalt und Miteinander statt Spaltung und Trennung. Es ist Arbeit, miteinander unterwegs zu sein. Es ist Arbeit, Werte zu erhalten und zu schaffen. Miteinander reden – nicht übereinander. Offenheit, Ehrlichkeit, Vertrauen. Aus der Vergangenheit lernen und Zukunft gestalten – das sind zwei Punkte, die sich ergänzen. Denn Gedenken bedeutet nicht, in der Vergangenheit zu leben, sondern durch Erkenntnis und Veränderung Wege zu bauen, Gegenwart zu gestalten, Veränderung erleben, Zukunft bauen. Schließen möchte ich gern mit den Worten des deutsch-israelischen Journalisten und Religionswissenschaftlers Schalom Ben-Chorin:
Wer Frieden sucht der wird den Anderen suchen wird zuhören lernen wird das Vergeben üben wird das Verdammen aufgeben wird vorgefasste Meinungen zurücklassen wird das Wagnis eingehen wird an die Änderung des Menschen glauben wird Hoffnung wecken wird dem Anderen entgegenkommen wird zu seiner eigenen Schuld stehen wird geduldig dranbleiben wird selber vom Frieden Gottes leben – suchen wir den Frieden? Suchen wir den Frieden – gemeinsam!