Teil 2, von Falk Drechsel

Im Bild: Das “Drachsel-Karl-Haus” am Steinberg, links und rechts „Michel-Elsel“
und „Michel-Max“, in der Mitte Karl Drechsel mit seinem Enkel Werner
(„dr gruße Werner“)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kamen viele Umsiedler und Heimatvertriebene ins Erzgebirge und auch nach Hormersdorf. Ihnen waren die Spitznamen nicht geläufig. Dies war ein Grund dafür, dass kaum noch neue entstanden. Dazu kam, dass die Bevölkerung mobiler wurde. Damit einhergehend wurden die Heiratskreise erweitert und so kamen auch neue Nachnamen nach Hormersdorf. Dies machte es nicht nötig, neue Spitznamen zu vergeben. Noch gibt es in Hormersdorf überlieferte Spitznamen für bestimmte Familien. Sie sind jedoch mehr und mehr am Aussterben, verblassen und werden immer seltener genutzt. Jedoch ist kaum einer dabei, der sich nicht auf diese drei Unterscheidungsarten ableiten lässt. Heute stellen uns diese Spitznamen manchmal vor unerwartete Probleme. So befindet sich zum Beispiel im Besitz des Autors eine Fotografie, welche um 1910 aufgenommen wurde. Sie zeigt die Hormersdorfer Veteranen des Krieges 1870/71. Linda Kästel geb. Lindner (*1887), der Schwiegertochter eines Veteranen ist es zu verdanken, dass die Namen überliefert sind. Sie beschriftete das Bild auf der Rückseite. Das Problem war, dass sie fast alle Namen in Spitznamenform angab. Von 15 Personen auf dem Bild waren 11 mit Spitznamen beschriftet und nur vier waren mit bürgerlichem Namen verzeichnet.

Hormersdorfer Veteranen von 1870/71: Hinten v.li.: Wilhelm Drummer genannt „Drummer-Fried-Wilhelm“ (1846-1912), Gotthilf Junghans genannt „Hansel-Gotthilf (1848-1922), August Lieberwirth genannt „Gifthütten-August“ (1848-1922), August Colditz (1845-1927), Mitte v.li.: August Meischner genannt „Schramm-August“ (1848-1914), Wilhelm Lindner genannt „Lindner-Helm“ (1842-1925), Robert Ullmann genannnt „Lui-Robert“ (1844-1915), Gustav Krebs genannt „Mund- Fritz-Gustav“ (1846-1932), August Drummer genannt „Drummer- Fried-August“ (1849-1936). Friedrich Kästel genannt „Kästel-Fritz“ (1846-1913), Vorn sitzend v.li.: August Eckert (1838-1915), Karl Weisbach genannt „Richter-Karl“ (1846-1911), Wilhelm Vorberg genannt „Tische-Karl-Wilhelm“ (1848-1931), August Ullmann genannt „Mühl- August“(1838-1913), Julius Drechsel genannt „Danel-Gulus“ (1839- 1913).

Die ursprüngliche Beschriftung war folgende: „Choltitz August, Güfthütten August, Gastwirt Hanzel-Gotthilf, Drummerfried Richard sein Vater, Kästel Fritz, Hilbert Mina sein Vater, Krebs Gustav, Lusrobert der die Zähne ziet, Lindner Helm, Schramm August, Tonel August Tonelgulus sein Vater, Mühl August, Tischer Karl, Richter Karl hier im Richtermartingut, Eckert August in Eckert Richard sein Vater“ Der Name August Colditz ließ sich ohne Probleme auflösen. Schwieriger wurde es beim Gifthütten- August. Es scheint sich dabei um August Lieberwirth zu handeln, dessen Familie viele Jahre auf der Gifthütte lebte. Dass „Hanzel“ eine Abkürzung von Junghans ist, konnte nur mit Hilfe zeitgenössischer Adressbücher geklärt werden. Dort waren die Gastwirte um 1910 aufgelistet, unter anderem Gotthilf Junghans. Mit Hilfe der Kirchenbücher konnte auch der Name des Vaters von Richard Drummer gefunden werden, gleiches gilt für den Vater von Minna Hilbert. Fritz Kästel war der Schwiegervater von Linda Kästel. Ob er einen Spitznamen hatte, konnte nicht geklärt werden. Seine Schwiegertochter hatte keinen vermerkt. Der Spitzname „Lusrobert“ konnte als Louis-Robert aufgeschlüsselt werden. Sein Bruder war der Louis-Karl, mit bürgerlichem Namen Karl Ullmann. „Lui-Karl“ ist noch heute in Gebrauch bei den Einheimischen. Der „Lusrobert“ hatte aber noch einen anderen Spitznamen, nämlich „Dokte-Robert“, gemeint Doktor. Seine Tätigkeit als Doktor erklärt auch den Zusatz auf dem Foto: „der die Zähne zieht“. Gustav Krebs, Wilhelm Lindner und August Eckert konnten mit Hilfe der Kirchenbücher identifiziert werden. Es musste festgestellt werden, dass „Schramm-August“ und „Richter- Karl“ keine bürgerlichen Namen waren, auch sie waren Spitznamen. „Schramm-August“ hieß eigentlich August Meischner. Seine Mutter war eine geborene „Schramm“. „Richter-Karl“ hieß eigentlich Karl Weißbach, wurde aber so genannt, weil sein Vater der Ortsrichter war. Der Name Mühl-August wurde bereits beschrieben und Tischer-Karl konnte der Autor anhand eigener Verwandtschaftsverhältnisse klären. Ein einziger Name war falsch, nämlich „Tonel August“ (Danel-August). Wie die Originalaufschrift auf dem Bild beschreibt, soll sein Sohn der Danel-Gulus gewesen sein. Also der oben bereits genannte Feuerwehrhauptmann Julius Drechsel. Es musste aber festgestellt werden, dass der Vater von Julius Drechsel ebenfalls Julius hieß. Das stiftete Verwirrung. Was war falsch? Der Name oder die Person? Klärung schaffte eine Fotografie, die Julius Drechsel sen. als Teilnehmer im Krieg 1870/71 zeigte. Somit war der Vorname „August“ falsch.

Julius Drechsel sen. der „Danel-Gulus“ im Krieg 1870/71

Diese Namen aufzuschlüsseln dauerte lange, dabei waren genaue Kenntnisse der Bevölkerung von Hormersdorf unerlässlich. Der Autor hat sich viele Jahre mit der Geschichte von Hormersdorf, besonders aber mit den Einwohnern zwischen 1800-1900, auseinandergesetzt. Dabei wurde eine Unmenge von Spitznamen gefunden. Diese alle hier zu behandeln, würde über den Rahmen dieser Ausarbeitung hinausgehen. Spitznamen sind heute nicht mehr nötig und gehen somit mehr und mehr verloren. Dies geht einher mit dem Verlust der erzgebirgischen Identität. Auch das Wissen um ihre Entstehung, Herkunft und Ableitung verschwindet, leider. Hinweis: Gritta Wilhelm, wohnhaft in Gelenau, aber ein Hormersdorfer Ortskind, schrieb im Jahr 2000 ein Gedicht über Hormersdorf. In diesem Gedicht macht Sie einen Dorfrundgang von Nieder- nach Oberhormersdorf anhand von alten Spitznamen, die sie aus ihrer Kindheit kannte. Das Gedicht wurde von ALINEA Digitaldruck gedruckt.

Literatur:
• Das Lagerstättengebiet Geyer, Reihe Bergbau in Sachsen, Band 4.,
1996
• Gemeindeverwaltung Gelenau, Gemeindearchiv, Akten Hellmuth
Hofmann, Spitznamen in Gelenau
• „Mei altes Dorf“ von Gritta Wilhelm, 2000, (Privatdruck)
Bilder: Die Bilder stammen alle aus dem Archiv des Autors.