Ein Museum beherbergt tausende Dinge und nur wenige davon sind für den Besucher sichtbar. Die Aufgabe der Museumsmitarbeiter ist es, sie zu sammeln, zu erfassen, zu bewahren und schließlich zu präsentieren. Anders gesagt – die Museumsfachleute bringen die Gegenstände zum Sprechen, damit die materialgewordene Geschichte in der Fantasie der Besucher lebendig wird. Das ist eine unermüdliche Arbeit hinter den Kulissen, die für Laien kaum zu erahnen ist. Als die Pappenmaschine wieder flott gemacht werden sollte, waren zunächst alle Informationen zu der Maschine zusammenzutragen, die wichtige Hinweise zur Zusammensetzung und Funktion liefern. Ein neuer Blickwinkel führt manchmal zu Fragen, die Informationslücken aufzeigen, so auch bei der alten Pappenmaschine. Wann kam sie in die Papiermühle, wer hat sie gebaut? Doch zunächst drängte sich eine ganz grundlegende Frage auf – warum wurde in der Papiermühle eine Pappenmaschine eingebaut, wo doch die Papiererzeugung seit 1568 Tradition hat!? Die Investitions- und Betriebskosten waren bei der Handpappenerzeugung sehr viel niedriger als bei der Papierherstellung auf einer Langsiebmaschine. Auch der Platz- und Energiebedarf war vergleichsweise gering: Wasserkraft reichte aus, Dampf wurde nicht zwingend benötigt. Die Nutzung ehemaliger Papiermühlen war möglich. Die Rohstoffe – Holzschliff oder Altpapier – waren billig. Zudem stieg in der zweiten Hälfte des 19. Jh. der Bedarf an Pappe stark an, bedingt durch die Nachfrage nach preiswertem Verpackungsmaterial. Die Industrialisierung setzte eine Verstädterung in Gang, die eine Versorgung mit Lebensmitteln aus dem Einzelhandel, statt dem eigenen Garten voraussetzte. Für den Warenverkehr brauchte es geeignete Verpackungen – Pappe bot sich an. Vor diesem Hintergrund gingen viele Papiermühlenbesitzer zur Pappenproduktion über, so auch die „Wintermänner“. 1808 übernahm Gottlob Traugott Keeferstein als erster aus dem Stammbaum der Familie Wintermann die Papiermühle. Er produzierte noch handgeschöpftes Büttenpapier. Sein Schwiegersohn, Friedrich August Schütz, welcher 1840 die Mühle übernahm, erkannte, dass mit der Handschöpferei nicht mehr viel zu verdienen war. Daher ließ er 1847 eine Pappenmaschine einbauen. So zumindest liest es sich in den hinterlassenen Unterlagen Martin Wintermanns. Ist damit die Frage nach dem Alter der Maschine geklärt? Rechnungen und andere Unterlagen dieser Zeit, anhand derer dies bestätigt werden kann, liegen nicht vor. Wenn die Maschine nur sprechen könnte… Kann sie! Ihr muss allerdings mit den Augen, nicht den Ohren gelauscht werden. Das gusseiserne Gestell der Pappenmaschine ist mit dem Firmennamen „F.W. Strobel Chemnitz“ geprägt. Die Firma wurde 1850 von Friedrich Wilhelm Strobel in Chemnitz, basierend auf dessen 1848 eingerichteter Schlosserei für Kleinmaschinen gegründet und lieferte alles, was zur Einrichtung und zum Betrieb von Papier- und Pappenfabriken von Nöten war. Anfänglich als „Probieranstalt für selbstgebaute Maschinen“ errichtet, entstanden bald Filialen in verschiedenen Orten. Die Strobel‘schen Maschinen genossen Weltruf, wurden u.a. in Russland, Skandinavien, Frankreich und Italien verlangt. Ab 1862 führte die Firma den Namen „Schnicke & Strobel“, sodass die Pappenmaschine der Papiermühle Niederzwönitz in den Anfangsjahren des selbstständigen Schlossermeisters Strobel entstanden sein muss, wenn nicht gar als Prototyp und zugleich letztes, noch funktionstüchtiges Exemplar – eine Sensation, sollte sich das bewahrheiten! Weitere Recherchen im Industriemuseum Chemnitz bringen vielleicht Klarheit. Doch Eines ist jetzt schon klar – die Maschine, wenn auch mit der Zeit hier und da repariert sowie ergänzt, überdauerte mehr als 150 Jahre. Und könnte sie sprechen, würde sie sagen, dass Armut der beste Denkmalpfleger ist. Bis 1972 wurde die Pappenmaschine, längst als völlig veraltet belächelt, zur Produktion eingesetzt. Nun ist es vielleicht die Maschine, die lächelt, weil sie sich altbewährt erhalten hat, als Museumsexponat auch Industrie 4.0 überstehen und nachfolgenden Generationen berichten wird, wie Industrialisierung und Umweltschutz vereinbar waren und sein werden – mit Recycling und natürlichen Kraftquellen.
Text: Paula Stötzer