von Helmi Hübschmann

Liebe Zwönitzer BürgerInnen, liebe Gäste und liebe Ehrengäste,

als mich vor ca. vier Wochen unser Bürgermeister anrief und fragte, ob ich zum Tag der Einheit ein paar Worte aus meiner Sicht zu diesen für uns alle historischen Ereignis sagen könnte, habe ich nicht sehr lange überlegt. Diese Geburtsstunde der deutschen Einheit brachte nicht nur für mich und meine Familie, sondern auch für alle unsere Bürger eine Gradwanderung um 180 Grad. Wir mussten uns in jeder Hinsicht neu orientieren. Dabei standen uns allen große Möglichkeiten offen. Für meinen Mann und mich bedeutete das speziell den Schritt in die Selbstständigkeit. Wir hatten in unserer beruflichen Entwicklung immer von einer gemeinsamen Praxis geträumt. Nun stand uns diese Möglichkeit offen. Aber leicht war dieses Unternehmen dennoch nicht. Als erstes hospitierten mein Mann und ich in unserem Urlaub eine Woche in einer allgemeinärztlichen bzw. orthopädischen Praxis in Karlsruhe, um uns einen Überblick in die Abläufe und die Abrechnungsmethodik der medizinischen Leistungen und den Standard einer modernen zukunftsorientierten Einrichtung zu erhalten. Mit einem Kopf voller guter Ideen, aber auch mit einer Portion Angst kamen wir wieder zu Hause in Zwönitz an. Für die Finanzierung der Praxis mit modernen, diagnostischen und therapeutischen Geräten benötigten wir eine ½ Million DM. Das war für uns DDR-Bürger erstmal eine Wahnsinnsvorstellung. Eine kleine lustige Episode aus dieser Zeit möchte ich hier einmal erzählen, denn sie zeigt, wie wenig die Menschen der Altbundesländer und wir hier zu Beginn der gemeinsamen Entwicklung voneinander wussten. Mein Mann und ich sind zur Hospitation mit unserem 1200 Lada nach Karlsruhe gefahren, noch ohne Navi, was auch eine Herausforderung war in dieser Großstadt. Als wir dann endlich am Haus der Orthopädie ankamen, wo wir auch die Woche wohnten, kam der Orthopäde auf uns, zu begrüßte uns und sagte: „So sieht also euer Trabi aus.“. Soweit diese kleine Episode. Unsere nächste Aufgabe für unseren Start in die Selbstständigkeit war nun die Finanzierung unseres Kredites. Es bedurfte dazu eines genauen Konzeptes und einer Absicherung eines Teils der Summe durch unser Wohnhaus. Dabei ist zu erwähnen und viele von Ihnen, die in einer ähnlichen Situation waren, wissen das, dass die Kreditzinsen damals bei ca. 11% lagen – heute bei 1-2%. Nun, nach Genehmigung der Summe durch eine Bank, konnten wir die Räume planen, umgestalten und die medizinischen Geräte wie z B. die Röntgeneinrichtung, das Ultraschallgerät sowie die Möbel bestellen und kaufen. Das war kein Problem, denn es gab ja alles. Unser weiteres Engagement beinhaltete nun, die Lehrgänge zu besuchen und Prüfungen abzulegen, die uns befähigten, die Hightech-Geräte zu bedienen. So habe ich vor der Wende bereits drei Jahre auf die Teilnahme an den Sonographielehrgängen (US) gewartet. Nach dem Tag der Einheit war es in fast allen Großstädten der Altbundesländer und Universitätskliniken gegen Bezahlung sofort möglich. Diese moderne Diagnostikmethode ist für unsere Patienten bis heute ein großer Segen. Nach längeren Verhandlungen mit der Treuhand, die auch nicht einfach waren, durften wir ein Gebäude des ehemaligen Meßgerätewerkes in Zwönitz kaufen. Nach dieser Grundsteinlegung war die Arbeit für uns eine Freude und unser Beruf wurde zu unserer Berufung. Ein kleines Erlebnis aus dieser „Gründerzeit“ möchte ich hier noch zum Besten geben: Nach der Stabilisierung unserer Praxistätigkeit luden wir die zwei Ärzte aus Karlsruhe mit ihren Ehefrauen für eine Woche in unsere schöne Heimat ein. Wir zeigten ihnen unser Erzgebirge und natürlich unsere Landeshauptstadt Dresden. Dabei besuchten wir das „Grüne Gewölbe“ mit seinen einmaligen Schätzen, auch die Gemäldegalerie, die sich mit dem Luvre in Paris messen kann. Für diese zwei Familien war das alles Neuland. So wenig waren Sie in Ihrer Vergangenheit mit den neuen Bundesländern vertraut gemacht worden. Das änderte sich aber nach diesem Besuch dann schlagartig! Sie sehen, dieser Tag der Einheit stellte also auch für die Altbundesländer einen Neustart dar. Nun habe ich bis jetzt meine persönlichen Gedanken und Erlebnisse zu diesem Tag dargelegt, was der Wunsch unseres Bürgermeisters war. Aber für uns alle möchte ich zum Schluss noch bestimmte Gesichtspunkte in Betracht ziehen. Wenn wir einmal zwei Stadtrundgänge miteinander vergleichen, einen 1990 und einen jetzt, so würde uns der Fortschritt, die Verbesserungen und das persönliche Engagement eines jeden einzelnen Zwönitzer Bürgers auf Schritt und Tritt begegnen. Beginnen wir am 03.10.1990, da an diesem Tag der Grundstein zu diesem Platz der Einheit gelegt wurde und der 150 Jahre Zwönitzer Geschichte symbolisiert. Vor 31 Jahren fielen uns beim Rundgang viele alte farblose Gemäuer mit zum Teil abgebröckeltem Putz, mit undichten alten Fenstern und Haustüren auf. Wir haben dies in unserem Wochenblatt verfolgen können. Auch die Nebenstraßen waren schlecht begehbar und Schuhe putzen stand nach einem Spaziergang immer an. Heute sehen wir viele schmucke Häuser, farbenfroh gestaltet, eine große Anzahl neuer Eigenheime, die sich junge Leute durch die niedrigen Zinsen bauen konnten. Die meisten Häuser haben gepflegte schöne Vorgärten. Für unsere Kinder und Enkel ist Dank der Infrastruktur, eine gute Schulbildung möglich – bis hin zum Lernen am Gymnasium. Das alles kam aber nicht im Selbstlauf. Die Zwönitzer sind ein fleißiges Volk und wir alle können stolz auf das Erreichte seit dem 03.10.1990 sein. Einen Gedanken möchte ich aber abschließend noch loswerden. Die Einheit hat uns viel Positives gebracht, welches wir erkennen und bewahren wollen. Aber es gibt auch etwas, was wir aus dieser Zeit vor der Wende in diese neue Zeit mitnehmen sollten und darauf achten, dass es nur nicht verloren geht. Ich meine das schöne Miteinander, das uneigennützige einander helfen, den Kollektivgeist – so nannten wir das damals – heute wird es TEAMWORK genannt. Das waren meine Gedanken zum 31. Tag der Einheit. Ich wünsche allen noch einen schönen Feiertag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und verabschiede mich mit dem Gruß unserer Bergstadt

Glück Auf!