Die Knochenstampfe erhält eine Alterskur. Nach der Bewilligung von Fördermitteln soll das in die Jahre gekommene Heimatmuseum in Dorfchemnitz eine denkmalgerechte Verjüngung erfahren und für die Zukunft flott gemacht werden. Die Sanierungsarbeiten haben bereits begonnen, weshalb die umfangreiche Sammlung des Museums nun fürs erste ins Depot umziehen musste. So mancher Schatz wird wohl für einige Zeit in den Magazinen des Museumsverbundes HEIMATWELTEN ZWÖNITZ schlummern müssen. Eine bedeutende Teilsammlung des Dorfchemnitzer Heimatmuseums besteht aus Zoologischem Sammlungsgut. Neben einer großen Insektensammlung fanden seit der Gründung des Museums im Jahr 1975 auch zahlreiche Tierpräparate ihren Weg in die Museumsbestände. Im Unterschied zu ausgestopften Tieren wurde bei der Kunst der Präparation die Tierhaut haltbar gemacht und über einen in Proportion und Haltung lebensechten und naturnahen Kunstkörper, oft z.B. aus Holzwolle gezogen. Um solche Kunstkörper herstellen zu können braucht es weitreichende Kenntnisse zur Anatomie, zum natürlichen Verhalten und zu den Bewegungsabläufen der jeweiligen Tiere. Einen großen Teil der Präparate machen einheimische Arten aus, die vom Dorfchemnitzer Präparator Johannes Franke gefertigt und an das Museum verkauft worden waren. Das Spektrum der vorhandenen Vögel reicht hierbei vom kleinen Goldhähnchen über den Eichelhäher bis hin zu Raubvögeln und Schwänen. Auch einige der wichtigsten Säugetiere unserer heimischen Wälder – so zum Beispiel ein Keiler, zwei Rehkitze und sogar ein weißer Maulwurf – sind in der Sammlung vertreten. Dabei wurden die Tiere nicht zum Zwecke der Präparation erlegt. Es wurden vor allem solche Tiere präpariert, die tot aufgefunden worden waren oder aus Hegegründen geschossen werden mussten. Im Allgemeinen lässt sich sicher der Zweck der Umwelt- und Heimatbildung als Grund für das Sammeln erkennen. Zahlreiche erhaltene Briefwechsel zwischen Martin Wintermann, dem damaligen Leiter des Museums und einer ganzen Reihe von Behörden belegen den ausgesprochenen Naturschutzanspruch, der mit der Entstehung der Sammlung wie auch mir der Präsentation der Präparate einherging. Auch vor diesem Hintergrund sticht ein bestimmtes zoologisches Prunkstück heraus. Eine im Jahr 1977 durch das Museum erworbene historische Vitrine enthält ein ganzes Ensemble aus sehr exotisch anmutenden Tieren. Insgesamt 76 Vögel und 4 Nagetiere tummeln sich auf Ästen, Steinen und Moosen. Bereits die Farbenpracht der gefiederten Vitrinenbewohner lässt kaum mehr einen einheimischen Ursprung vermuten. In der Tat findet der artenkundige Betrachter hinter dem alten handgestrichenen Vitrinenglas Tiere von bis zu vier Kontinenten und aus allen Klimazonen. Den größten Anteil haben Arten von den amerikanischen Kontinenten, so etwa Kolibris und Tukane, ebenso wie Flughörnchen und Grauhörnchen. Soweit sich der Ursprung der Exoten nachvollziehen lässt, wurden diese in den Jahren zwischen 1913 und 1928 von einem Dorfchemnitzer Strumpfwirker namens Richard Groß gesammelt, den es in eben diesen Jahren nach Brasilien verschlagen hatte. Vor Ort gesammelt, machte Groß die Tiere haltbar und sandte sie zu seiner Frau nach Dorfchemnitz, wo der Präparationsprozess abgeschlossen wurde. Für die amerikanischen Arten bietet diese Geschichte freilich eine hinreichend schlüssige Antwort auf die Frage nach ihrer Herkunft. Bei einigen vermutlich südostasiatischen Paradiesvögeln gestaltet sich die Sachlage dann doch rätselhafter. Hatte Groß die Tiere extra angekauft? Wurden sie von Dorfchemnitz aus bestellt? Gab es Kontakt zu weiteren Sammlern und Präparatoren? Diese Fragen müssen vorerst unbeantwortet bleiben. Das Alter der Präparate scheint indes sicher, da sowohl die Präparationstechnik als auch die Vitrine selbst, in der die Tiere zu einem Gesamtkunstwerk zusammengestellt wurden, die überlieferten Entstehungsjahre bestätigen. Die Rätsel um das Museumstück machen es interessanter und wertvoller, sowohl in kulturgeschichtlicher und musealer als auch in lokalgeschichtlicher und zoologischer Hinsicht, vom ästhetischen Wert einmal ganz abgesehen. Für die angesprochene Verjüngungskur, die dem Museum bevorsteht, mussten nun natürlich vorerst sämtliche Vögel, Säuger und Insekten ihre Heimstatt verlassen. Während die Insekten, ebenso wie die Einzelpräparate einheimischer Arten in die Depoträume der Heimatwelten umgezogen sind, wo sie einer eingehenderen Aufarbeitung und Dokumentation entgegensehen, soll der sogenannten „Groß-Vitrine“ ein anderes Los zuteilwerden. Lange wurde überlegt, wie und wo die Vitrine für die Zeiten des Umbaus und vielleicht auch darüber hinaus einen standesgemäßen Platz erhalten könnte und wo sie gesehen und bewundert werden kann. Schließlich wurde die Idee geboren, die stummen Zeugen tierischer Artenvielfalt mit jenen zu vereinen, die noch rennen, springen, fliegen, pfeifen und zwitschern. Ein kurzer Anruf, eine EMail und eine Begegnung später, war der neue Aufstellungsort gefunden. In den Zoo der Minis, nach Aue sollte es gehen, so der Plan. Doch einfach mal die Vitrine in einen Transporter packen, nach Aue fahren und da wieder aufstellen, geht natürlich nicht. Der Vogelzug musste wohl überlegt und vorbereitet sein. Viele Fragen waren noch zu klären. Wie wird die Vitrine versichert? Wer übernimmt den Transport? Ist es überhaupt sicher mit alten Präparaten zu hantieren, wurden sie doch in früheren Zeiten mit giftigem Arsentrioxid behandelt… Brauchen wir eine Genehmigung um potentiell geschützte Arten extern auszustellen? Drei Monate gingen ins Land, bis schlussendlich alle offenen Fragen geklärt waren und der Leihvertrag geschlossen werden konnte. Künftig kann unser Tier-Wimmelbild im Zoo der Minis in Aue bewundert werden und dort als Dauerleihgabe von der Sammel- und Forschungsleidenschaft des Dorfchemnitzer Strumpfwirkers künden. Und wir hoffen, dass die Vitrine die Besucher des Zoos, trotz der zahlreichen lebendigen Konkurrenz, genauso in ihren Bann ziehen kann, wie sie es in Dorfchemnitz vermochte. (Marco Blechschmidt)