Liebe Leserin, lieber Leser des Zwönitzer Stadtanzeigers! Am 21. Juli, einem heißen Sommertag, versammelten sich etwa 20 Niederzwönitzer auf dem Firmengelände der Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck. Einige waren direkt aus ihrem Urlaub angereist. Aber die meisten hatten schon am Morgen gegen vier Uhr die lange Anfahrt, direkt aus Zwönitz, angetreten. Alle wollten miterleben, wie die neuen Glocken für die St. Johannis- Kirche entstehen. An diesem Tag wurden in Innsbruck die Glocken für drei Kirchen aus Sachsen gegossen. Die Glockengießerei Grassmayr blickt auf eine über 400-jährige Geschichte zurück und ist damit Österreichs ältestes handwerkliches Familienunternehmen. “„SOLI DEO GLORIA – An Gottes Segen ist alles gelegen“ waren die ersten Worte im Wanderbuch des Bartlmä Grassmayr, als dieser zum Praktizieren für mehrere Jahre auf Wanderschaft ging. Dieser Glaube prägte das Fundament der Glockengießerei Grassmayr.” Dies ist auf der Webseite der Firma nachzulesen und wird bis heute so gelebt. Der über 80-jährige Patriarch der Familie Grassmayr begrüßte uns am Vormittag im Museum der Firma. Er erklärte uns anhand der ausgestellten Exponate sehr eindrucksvoll, wieviel Erfahrung und handwerkliches Geschick notwendig sind, um eine Glocke herzustellen, die in ihrem Aussehen und Klang exakt den Wünschen des Kunden entspricht. Dabei nahm er immer wieder Bezug auf das “Lied von der Glocke” von Friedrich Schiller. Darin heißt es beispielsweise “Soll das Werk den Meister loben, doch der Segen kommt von oben”. Als Dankeschön und Erinnerung überreichte Friedemann Müller eine kleine Tonglocke, die von Annett Triemer mit einer Widmung beschriftet worden ist. Herr Grassmayr nahm das Geschenk mit Freude entgegen. Zum Museum gehört ein kleiner Garten. Dort sind verschiedene alte Glocken ausgestellt. Eine Glocke mit vielen Einschusslöchern war besonders eindrucksvoll. Sie ist beispielhaft für die wechselvolle Geschichte vieler Glocken: einstmals gegossen, um Menschen zu Gottesdienst und Gebet zu rufen, wurden sie auch als Sturmglocken zur Warnung vor Gefahren und Krieg gebraucht, bis dahin, dass sie selbst Opfer von Gewalt und Zerstörung wurden. Am Ende der Führung konnten wir einen ersten Blick in die Halle werfen, in der die neuen Glocken gegossen werden sollten. Darin standen zehn Metallkübel, die die Glockenformen enthielten.
Im Hintergrund war der große Schmelzkübel zu sehen, in dem das Gemisch aus 80% Kupfer und 20% Zinn auf über 1100 Grad erhitzt wurde. Die Schmelzdauer des Metalls hängt auch von der Witterung ab und kann dadurch nicht ganz genau bestimmt werden. Ist die Temperatur erreicht, muss der Guss erfolgen und kann nicht verzögert werden. Der Glockenguss war für 15:00 Uhr geplant. Herr Grassmayr bat uns, aus den genannten Gründen bereits gegen 14:30 Uhr wieder in der Gießerei zu sein. In der Zwischenzeit hatten wir Gelegenheit, einen kleinen Rundgang durch die Stadt zu unternehmen. Als wir uns dann wieder in der Gießerei einfanden, wurde in der Halle ein kurzer Gottesdienst gefeiert, an dem auch die Mitarbeiter der Firma Grassmayr teilnahmen. Pfarrer Michael Tetzner und die Pfarrer der anderen beiden Gemeinden hielten kurze Ansprachen. Sie erbaten in ihren Gebeten den Segen Gottes für das Gelingen des Glockengusses sowie für die Firma Grassmayr und ihre Mitarbeiter. Den Abschluss bildete das gemeinsame Vaterunser. Als dann die notwendige Temperatur der Bronze erreicht war, begann der eigentliche Glockenguss. Um das flüssige Metall richtig miteinander zu verbinden, wurde der Schmelzbehälter geöffnet und mit einer langen Stange aus Erlenholz umgerührt. Bei diesem Vorgang waren aus dem Behälter laute, blubbernde Geräusche zu hören, die eine eigenartige Stimmung aus Respekt und Freude bei uns Zuschauern erzeugten. Danach wurde der Behälter wieder verschlossen. Nun befüllte der Gießmeister den Gießkübel mit der glühenden Masse.Mit einem Portalkran wurde der Behälter dann zur ersten Glockenform in die richtige Position gebracht. Dann konnten wir sehen wie die Glockenformen nacheinander mit der flüssigen Bronze gefüllt wurden. Als die zehn Behälter ausgegegossen waren, sangen wir noch gemeinsam das Lied “Großer Gott wir loben dich”. Im Garten der Glockengießerei wurden wir zum Abschluss mit einem “Guss-Schnapsel” und Kuchen bewirtet. Unser Wunsch für das neue Geläut ist mit dem Schluss aus Schillers Glocke gut zum Ausdruck gebracht: Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute! Wir sind sehr dankbar, dass wir dieses beeindruckende Ereignis miterleben konnten. Es war ein unvergesslicher Tag für uns alle. Wie zu hören war, ist der Glockenguss gelungen, so dass wir uns jetzt schon auf die Glockenweihe am 11. September freuen dürfen. Ab 15:00 Uhr sind alle interssierten Gäste herzlich eingeladen, daran teilzunehmen.
Text: Regina Schwarzenberg