Zum Volkstrauertag, am Sonntag, dem 13.11.2022, treffen sich in Deutschland Bürger an Gräbern und Gedenkstätten, um den Opfern von Kriegen, von Diktaturen, von Gewalt aller Art zu gedenken, von Menschen, die aufgrund ihres Glaubens, ihrer Weltanschauung, verfolgt, diskriminiert oder getötet wurden. Die Zwönitzer Gedenkveranstaltung fand in diesem Jahr am Mahnmal in Günsdorf statt.

Diana Haupt, stellvertretende Ortsvorsteherin von Günsdorf, sprach die Gedenkrede

„Es ist Krieg, ganz in unserer Nähe, in der Ukraine. Ein schrecklicher Krieg, Millionen von Menschen haben Angst um ihr Leben und fliehen vor Bombenangriffen und Gefechten, vor Tod und Gewalt. Eltern und Großeltern betrauern den schmerzlichen Verlust ihrer Söhne, die in Gefechte geschickt werden, um ihr Land zu verteidigen. Kinder verlieren ihre Eltern, ihre Familien. Menschen kämpfen sinnlos gegeneinander, weil dort, wo bis eben noch grenzüberschreitend liebevolle Familienbande oder freundschaftliche Verbundenheit existierten, Gefechte und Angriffe stattfinden, die eine Verschiebung von Grenzen nach sich ziehen oder überhaupt erst den Menschen bewusst machen, dass es hier eine Grenze gibt. Es ist Krieg und man selbst spürt ein Gefühl tiefer Ohnmacht. Man fühlt sich klein und tausende Fragen gehen einem durch den Kopf. Wie konnte es soweit kommen, hat niemand die mahnenden Worte derer, die involviert waren oder gut beobachtet haben, hören wollen? Wo sind die Diplomaten? Warum nehmen sie den Platz am Verhandlungstisch nicht ein, ihren Platz, von welchem aus sie bis noch vor kurzem große Reden gehalten haben? Kann niemand über seinen Schatten springen und den ersten Schritt tun? Warum spricht man stattdessen darüber, welche Waffen eingesetzt werden dürfen oder nicht und zeigt mit dem Finger auf andere Waffenlieferanten, während man selbst einer ist? Glaubt man tatsächlich, dass Waffen Frieden bringen und das Blutvergießen damit aufhört? Mit Waffen und Gewalt für Überzeugungen einstehen, das ist leicht, doch schmerzhaft und nie von Dauer. Was kann man tun? „Nie wieder Krieg“, stand auf dem Plakat von Käthe Kollwitz nach dem 1. Weltkrieg. Und dann war er plötzlich da, der 2. Weltkrieg. „Wir rannten durch die Straßen, die Menschen weinten und schrien. Irgendwer erzählte, die Löwen aus dem Zoo seien auf den Straßen. Wir wussten nicht warum, aber wir sollten ins eiskalte Wasser gehen. Wenn wir auf dem Wasser treiben, denken sie, wir sind schon tot. Wir waren Kinder.“ Nicht oft hat mir meine verstorbene Oma von Dresden erzählt. Aber wenn sie es tat, eindringlich. Und es herrschen Krieg und gewaltsame Konflikte in Chile, in Kamerun, Mosambik, Israel, Jemen, Myanmar, Iran …. und an vielen Orten mehr. Die Erinnerungen an Syrien und Afghanistan sind noch genauso frisch. Es ist erschreckend, doch es gibt nicht nur diesen einen aktuellen Krieg in der Ukraine. Es gibt viele davon. Kriege und Konflikte um Wasser, Ressourcen, um Ländereien, Macht- oder territoriale Ansprüche. Kämpfe und Gewaltdemonstrationen, um Minderheiten und Andersdenkende niederzuschlagen oder gar auszulöschen. Viel beklagt sind die unzähligen Todesopfer, denen wir auch heute zum Volkstrauertag gedenken. Die Geschichte dieses stillen Gedenktages ist lang, reicht bis ans Kriegsende 1918 zurück. Erste Bestrebungen, das Andenken der gefallenen Soldaten zu bewahren, standen zu der Zeit auch kritischen Stimmen gegenüber. Appelle zur Friedensbereitschaft auf der einen Seite; Hetze, Propaganda und später sogar Heldenverehrung auf der anderen Seite. Es herrschte konsequente Uneinigkeit, wie so oft unter uns Menschen. Am Ende des 2. Weltkrieges lebten die Gedanken des Volkstrauertages wieder auf, in einzelnen Besatzungszonen wurde er sogar wieder begangen. 1950 fand dann die erste zentrale Veranstaltung statt. Die Inhalte des Volkstrauertages blieben vage bis man 1987 in einem offiziellen Festakt der Bundesregierung ganz allgemein aller Opfer von Krieg, Gewaltherrschaft und Terrorismus gedachte. Wir sind nun also hier zusammen gekommen, um Kindern, Frauen und Männern aller Völker zu gedenken, die durch Krieg, Gewalt und Hass, durch Verfolgung, Gefangenschaft und Folter, Terrorismus und die Folgen all jener Dinge, durch sinnloses Morden zum Opfer geworden sind und ihr Leben ließen. Wir trauern und unsere Gedanken sind bei den Familien, Angehörigen und Hinterbliebenen der Opfer, die diese schmerzliche und schwere Last tragen müssen und deren Fragen nach dem „Warum“ oft unbeantwortet bleiben. Lassen Sie uns gemeinsam, den Opfern ein ehrenvolles Andenken bereiten. Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass ihr Tod nicht umsonst war und in Vergessenheit gerät. Lassen Sie uns diesen Tag heute zum Anlass nehmen, uns den Wert des Friedens wieder bewusst zu machen. In diese Pflicht stellen uns die Generationen unsrer Eltern und Großeltern, die das alles erlebt haben. Diese Pflicht und den moralischen Anspruch haben wir in Vorbildfunktion für unsere Kinder und alle Generationen, die nach uns kommen. Frieden ist nicht selbstverständlich oder ein dauerhafter Zustand. Frieden entspringt unserer inneren Haltung und der Bereitschaft, diese Haltung nach außen zu tragen und weiter zu geben. Und, wenn es vielleicht auch das schwerste sein mag, Frieden entspringt der Vergebung. Bald ist Weihnachten, eine Zeit der großen Freude und Besinnlichkeit, denn Jesus Christus ist in diese Welt gekommen, um uns miteinander zu versöhnen. Jedes Jahr aufs Neue werden wir bei unseren Einkäufen, Besuchen von Weihnachtsmärkten oder im Radio beschallt, mancher nimmt es gar nicht mehr wahr. Aber es ist da, jedes Jahr, dieses eine Lied. Als sein Songwriter starb, war Vietnam beendet und auch Kambodscha, aber in Teheran herrschte Blutvergießen und die Sowjetunion war in Afghanistan einmarschiert. Die Rede ist von John Lennon. Mit dem Zitat aus einem seiner bekanntesten Lieder, einem Weihnachtslied, möchte ich nun schließen, denn es sagt wie einfach es sein kann: „Der Krieg ist vorbei, wenn du es willst.“