– ein Nachtrag zum 100. Jubiläum im vorigen Jahr mit neuen Erkenntnissen
Gunter Lasch, Brünlos

 

Nach der mündlichen Überlieferung erfolgte die Gründung eines Fußballvereins in Brünlos im Jahr 1922. Allerdings gab es dazu bislang keine gesicherten Belege. Chronist Heinz Grunert erwähnt das Gründungsjahr 1922 ohne Quellenangabe. Im Frühjahr 2022 bat Falk Zölsmann als Vorsitzender des Brünloser Sportvereins den Verfasser, einen belastbaren Nachweis zu den Anfängen des Brünloser Fußballvereins zu ermitteln, der die im September geplante 100-Jahrfeier historisch auf eine sichere Grundlage stellen sollte. Die Quellenlage war ausgesprochen dürftig, zumal von Hans Falke, dem besten Kenner und Chronisten der Brünloser Sportgeschichte, zur Fußballvereinsgründung nichts vorlag. Die Durchsicht der betreffs Brünlos vorhandenen Archiv-Bestände (Sächs. Hauptstaatsarchiv Dresden bzw. Chemnitz, Kreisarchiv Erzgebirgskreis – Zweigstelle Pfaffenhain) ergaben zum Thema Fußballgeschichte anhand der Aktentitel keine Ansatzpunkte. Einst vorhandene Dokumente zur Gründung des Brünloser Vereins sind offenbar bei den damals Verantwortlichen privat aufbewahrt worden und inzwischen wohl verloren gegangen, zumindest bislang verschollen. Da bisher auch keine Namen der Vereinsgründer bekannt sind, kann in den fraglichen Familien nicht zielgerichtet gesucht werden. Eine Recherche im Vereinsregister durch den heutigen Vereinsvorstand wäre noch denkbar gewesen. Hier wird über die Suche des Verfassers im Stollberger Anzeiger berichtet, wobei die Durchsicht der täglichen Ausgabe (außer Sonntags) am 01.01.1922 begann. Generell nutzen damals die Brünloser Einwohner jene Stollberger Zeitung offenbar weniger als die Bewohner der Dörfer im Gablenz- bzw. Würschnitztal, sodass insgesamt kaum Beiträge oder Anzeigen Brünlos betreffen. Zum Thema Sport in Brünlos gibt es im I. Halbjahr 1922 gar keine Erwähnung. Im Gegensatz dazu führte der Stollberger Anzeiger damals nahezu täglich Informationen unter der Rubrik „Turnen, Sport und Spiel“. Hier tauchen neben der Kreisstadt immer wieder die umliegenden Dörfer auf (z.B. mehrfach Hoheneck, Mitteldorf, Seifersdorf, alle auch mit Turnfesten und Vereinstreffen). Über Fußball wird zunächst nur aus Stollberg berichtet, wo es Spielbetrieb in mehreren Mannschaften des Vereins „Sturm“ gibt. Die Weihe des neuen Fußballplatzes im Sommer 1922 an der Stollberger Schillerstraße hatte offensichtlich auch Strahlkraft auf die umgebenden Dörfer und wohl ebenso die Brünloser bestärkt, Fußballsport vor Ort zu betreiben. Überhaupt war Wandern und Sport ein markanter Trend der 1920er Jahre. Viele Sportarten erlebten damals einen ungeheuren Aufschwung, besonders auch von jüngeren Lehrern in der Schule gefördert (z.B. Wandervogel-Bewegung). Die Stollberger Zeitung unterstützt mit Aufrufen wie im folgendem: „Kommt auf die Sportplätze, da findet ihr Erholung in freien Stunden, dorf findet ihr Jugendgenossen, mir denen ihr im friedlichen Wettkampf auf dem grünen Rasen dauernde Freunde werdet …“. Der Sportklub „Sturm“ in Stollberg hatte 1922 erstaunliche 10 Mannschaften, je 4 im Männer- und Jugendbereich sowie 2 Knabenteams. Sehr wahrscheinlich, dass hier einige Brünloser schon länger dabei waren. Bald haben letztere sich aber auch im eigenen Ort zum Fußball zusammengefunden, nachdem sich eine geeignete Wiese fand. Denn erstmals am 01.08.1922 werden in der Zeitung Fußball-Spielergebnisse mit Brünloser Mannschaften genannt: Sturm 4 – Brünlos 2 4:4 Sturm 4. Jug. – Brünlos 2. Jug. 1:5 Sturm 1 Knaben – Brünlos Knaben 1 2:0 Die Tatsache, dass die Brünloser im Sommer 1922 bereits 5 Mannschaften aufbieten konnten, zeigt die enorme Begeisterung im Dorf für diese Sportart. Vor allem zu Spielen vor der Hauptpartie liefen Brünloser Fußball- Mannschaften immer wieder in Stollberg auf.

Vorspiel mit Beteiligung Brünloser Fußballmannschaft - Beispiel aus Stollberger Tageblatt vom August 1922

Ihr eigener Spiel- und Trainingsplatz war anfangs eine Wiese gegenüber dem Gasthof „Waldschlößchen“, an der Chaussee Stollberg-Zwönitz gelegen und einen knappen Kilometer südwestlich vom Dorf entfernt. Die besagte, allerdings zu kleine Wiese gehörte zum Gasthof. Mit Emil Bonitz spielte sogar einer aus der weitläufigen Gastwirts-Verwandtschaft in der 1. Männermannschaft. Im Sommer 1922 richteten die Brünloser unweit davon neben einem Waldstück am Eisenweg eine etwas größere Wiese als Sportplatz her. Diese Fläche gehörte zum Bauerngut Nr. 4 (Dorfstraße 57), in Brünlos als Klötzer-Gut bekannt. Das Gut Nr. 4 besaß seit 1918 ein Johannes Voigt, 1897 in Oelsnitz/Erzg. geboren und mit Fanny Günther aus Brünlos verheiratet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der damals 25-jährige Landwirt selbst Fußballspieler war. Nach dem Verkauf des Gutes Nr. 4 im Jahr 1931 zog Fritz Voigt samt Familie Mitte der 1930er Jahre nach Kühnhaide und arbeitete bei „Kisten-Walther“. Weitere Lebensdaten zur Familie sind leider unbekannt. Am Sonntag, den 17. September 1922, fand auf dem Fritz Voigt gehörendem Areal ein Werbesportfest statt, bei dem der Fußball im Mittelpunkt stand. Im Zeitungstext hieß es: „Da dem Stollberger Sportklub ,Sturm’ am morgigen Sonntag der Sportplatz (Schillerstraße) nicht zur Verfügung steht, hat sich die Vereinsleitung entschlossen, dem seit kurzer Zeit bestehenden Fußballklub im nahen Brünlos durch ein Werbe-Sportfest auf dem in der Nähe des Waldschlößchens (Minna) liegenden Platz tatkräftig zu unterstützen“. Interessante Spiele und Vorführungen fanden statt und abends wurde zum Sport-Kränzchen in die nahe Gaststätte eingeladen. Für die Vereinsgeschichte wichtig ist der oben zitierte Nebensatz, welcher eine Gründung des Brünloser Fußballvereins im Sommer 1922 sicher belegt, wenngleich ein genaues Gründungsdatum noch fehlt. Der neu gegründete Verein hieß „Ballspielvereinigung Brünlos“, abgekürzt BVB. Zwei Wochen nach dem Werbesportfest erfolgte am 01.10.1922 die offizielle Platzweihe für den Fußballplatz am Waldschlößchen. Mit einem Festzug ging es vom Turnplatz (heute Felix-Küchler-Str. 1) die Dorfstraße hoch und die Waldschlößchenstraße hinaus. Auf dem neuen Platz lief ein umfangreiches Sportprogramm ab, dem sich am Abend ein Vereinsball im Gasthof anschloss.

Ende September 1922 mehrfach abgedruckte Anzeige aus dem Stollberger Tageblatt

In den Folgemonaten und -jahren bis 1928 stellten sich viele Fußballmannschaften aus der Region auf der Höhe am „Waldschlößchen“ dem sportlichen Wettstreit mit den Brünlosern, die ihrerseits im Gegenzug in den Orten der Gastmannschaften aufliefen. Selbst zu Weihnachten wurde Fußball gespielt, wie eine Anzeige belegt. Im Jahr 1923 finden sich in den Stollberger Sport-Anzeigen ab und zu weitere Begegnungen mit Brünloser Mannschaften. Dabei hält die „Ballspielvereinigung Brünlos“ weiterhin Kontakt zum bürgerlichen Fußballverein „Sturm Stollberg“, trifft sich aber ebenfalls zu Spielen mit dem neu gegründeten Arbeiter-Fußballverein „Germania Stollberg“. Eine Zeitungsnotiz von Ende Juni 1923 liefert nun, wenn auch ein Jahr später, den genauen Gründungstermin des Brünloser Fußballvereins: „Am kommenden Sonntag, den 1. Juli 1923 begeht die Ballspielvereinigung Brünlos das Fest ihres einjährigen Bestehens.“ Dabei wird wieder auf dem Sportplatz nahe dem „Waldschlößchen“ ein tolles Sportprogramm geboten, wobei sich im Hauptspiel die Ligareserve von Teutonia Chemnitz und der Mittweidaer Ballspiel-Club gegenüberstehen. Man kann nur staunen, wie es den damaligen Organisatoren gelang, beispielsweise eine Chemnitzer Meister-Mannschaft auf eine weit vom Dorf entfernte „Fußballwiese“ am Eisenweg einzuladen. Offenbar überzeugten sie mit glühender Begeisterung für den Fußballsport. Es gab wohl außerdem hilfreiche Sponsoren unter den Brünloser Strumpffabrikanten und weiteren Gewerbetreibenden. Von letzteren kennen wir aufgrund des Fotos wenigsten einen, nämlich den Fleischer Willy Lehm, später zudem langjähriger Gastwirt im „Fremdenhof zur Sonne“. Dieses und weitere Fotos sollen demnächst hier veröffentlicht werden, um vielleicht noch einige weitere Spieler und Funktionäre namentlich zu ermitteln.

Stollberger Tageblatt vom Juni 1923

Die Fußballbegeisterung ist in Brünlos glücklicherweise erhalten geblieben, wenngleich momentan nicht mit fünf Mannschaften im Spielbetrieb. Am 10. Juni 2023 begeht der Sportverein das 70-jährige Jubiläum des heutigen Sportplatzes am Brünloser Volkshaus. Dazu gilt allen Beteiligten eine herzliche Gratulation. Der Blick auf die Anfänge des Brünloser Fußballs vor über 100 Jahren sollte ein Beitrag zum aktuellen Jubiläum sein. Jedenfalls wissen wir nun genau, dass der Vereinsfußball in Brünlos am 1. Juli 1922 begann.

Anmerkung

Die Bildrechte zu den abgedruckten Zeitungsausschnitten gehören dem Kreisarchiv Erzgebirgskreis. Die Redaktion des Zwönitzer Anzeigers dankt für die Möglichkeit des Abdrucks, der Verfasser für die langjährige freundliche Unterstützung im Archivbereich Pfaffenhain. Wer zu Fritz Voigt in Kühnhaide mit Angaben helfen kann, nehme bitte Kontakt zum Verfasser auf. Dies gilt ebenso für alle weiteren Hinweise, den historischen Fußball in Brünlos betreffend.