Woher stammt diese Hinterlassenschaft, ein derartiger, recht formloser Betonbrocken, bestehend aus unbehauenen, geschichteten Feldsteinen und Beton? Das Gelände gehörte früher zur Erhardt- Fabrik. Es folgten die evakuierten Elbtal- Werke Dresden, das spätere Siemens- Werk Berlin und das Meßgerätewerk (MWZ). Bauliche Veränderungen in diesem Teil des Geländes, an die man sich aus jüngerer Vergangenheit noch erinnert, war eine hölzerne Baracke. Errichtet auf einer eingeebneten Fläche.

Sie stand entlang der Straße „Am Gaswerk“, diente verschiedenen betrieblichen Zwecken des MWZ Zwönitz. Um oder nach 1990 wurde die Baracke liquidiert. Der Neubau eines Wohnhauses wurde errichtet, ein weiterer 2. Bau kam nicht zur Ausführung. Beim Aushub für die Baugrube stieß man auf eine Art ‚Kellerraum‘. Deren Zweck war niemanden bekannt, fand keine Beachtung.

Die Baracke entlang der "E.-Thälmann-Straße" (Am Gaswerk) um 1965.

2023 unternahm ein neuer Bauherr die Bebauung der Lücke an der von-Otto-Straße. Der ‚unbekannte Kellerraum‘ wurde abgerissen, eine Böschung erstellt, die Bodenplatte verlegt. Aus der Böschung ragte in Zement/Beton gegossen, ein unförmiger Feldsteinbrocken heraus. Auf dessen Entfernung wurde letztlich verzichtet, weil dieses Trumm recht widerspenstig war. So wurde es im Bauverlauf verschüttet. Was hatte es mit diesem undefinierbaren Trümmerstück auf sich? Das Interesse des Heimatforschers war geweckt. Ein Verdacht machte sich breit. Sollte das etwa ……………. Der Zwönitzer G.J.Richter schildert in seinen Mitte der sechziger Jahren niedergeschriebenen glaubwürdigen, interessanten Lebenserinnerungen (Quelle) auch Abläufe aus dem Jahr 1945 die einen möglichen Ansatz bieten. Richter war zu dieser Zeit Fabrikbesitzer, Kirchenvorstand, Stadtverordneter, stellvertr. Bürgermeister, Chef des Feuerwehrwesens Zwönitz, Familienvater. Die folgenden Auszüge sind Zitate. „Das Verhältnis zwischen der Ortsleitung und dem Bürgermeister1 wurde auch immer gespannter, sodass ich eines Tages zum Bürgermeister sagte: ‚Ich komme nicht in den Befehlsstand im Keller des Rathauses2 in Niederzwönitz. Wenn dort eine Bombe fällt, kommen wir da nicht mehr heraus. Vom Ortsgruppenleiter3 haben wir nichts zu erwarten.‘ Wir haben dann unseren Befehlsstand an der Schießmauer4 gebaut, oberhalb des Gasthauses zur Linde. Der Ort lag zentral. Man hatte von hier aus eine gute Sicht über den ganzen Ort.“ „Die Stadt Zwönitz sollte verteidigt werden. Das hatte Ortsgruppenleiter Georgi dem Bürgermeister mitgeteilt. Grunert und ich haben uns gemeinsam gegen eine Verteidigung ausgesprochen mit den Worten, es sei Unsinn, eine solche offene Stadt zu verteidigen. Wir hatten aber als Vertreter der Stadt nichts zu melden. Alles wurde von der SS bzw. der Ortsgruppenleitung bestimmt. An der Bahnhofstrasse auf der Niederzwönitzer Seite wurden Erdlöcher gegraben. Dort wollte man Kinder (HJ) mit Panzerfäusten unterbringen. Auf der Bahnhofstraße, gegenüber der Tischlerei Günther5, auf der damaligen v.-Otto-Straße6 gegenüber der jetzigen Einfahrt zum Meßgerätewerk, auf der Straße nach Niederzwönitz gegenüber vom Wohnhaus Gustav Ketzscher7 usw. wurden Panzersperren gebaut. Im ehemaligen Elbtalwerk gegenüber dem Haus von Dr. Homberg wurde ein Betonbunker mit einer Zementdecke von über einem Meter gebaut. Der wurde mit dem Verteidigungsstab von Zwönitz besetzt.“

„Was ich dann in dem Bunker erlebt habe, möchte ich nicht erwähnen. Nur das möchte ich von den Einrichtungsgegenständen im Bunker erwähnen. Da war ein langer Holztisch mit einigen Stühlen und an den Wänden einige Holzbänke. Auf dem Tisch: Ein Telefon, eine 10-Liter Korbflasche mit Schnaps und Wassergläser. Die Herren tranken nämlich den Schnaps gleich aus Wassergläsern. Sie wollten mich dort betrunken machen. Aber ich habe keinen Tropfen zu mir genommen. Das hat den Herrschaften nicht gefallen. Zu dieser Besprechung waren anwesend: Ich, Ortsgruppenleiter Georgi, Kreisleiter Ziegis, ein SS-Feldwebel, SA-Führer Hermann Söhnel, SS-Führer Förster, SAR Zinn (?) und einige SS-Leute, die mir unbekannt waren. Das Gespräch führte der SS-Feldwebel.“ Eine bisher nicht erwähnte Tatsache ist also: In Zwönitz existierten zu Ende des Krieges ein nicht öffentlicher Unterstand in Niederzwönitz für Zivilangestellte des Rathauses und ein Betonbunker für Partei- und Militärchargen der Stadt. Die weiteren Luftschutzanlagen für die Bevölkerung und die Arbeiterschaft werden bei R. explizit nicht erwähnt. Der Ortsgruppenleiter, gleichzeitig Stadtbaumeister, wird Wege gefunden haben den sehr raren Zement für diese unsinnige „Verteidigungs“- Maßnahme zu requirieren. Eine Baufirma, der Partei nahestehend, muß die Arbeiten wohl eilig ausgeführt haben.

Der Brocken in der Böschung (mit Pfeil), dahinter das ‚Homberg- Haus‘, im Vordergrund die Bodenplatte für das neue Haus; Aufn. 31.07.2023.

Ein Irrtum ist fast ausgeschlossen: der Betonbrocken stammt vom ehemaligen Bunkerbau. Die unbekannten Kellerräume (s.O. und ohne Foto), waren dies ebenfalls Reste der beschriebenen Bunkeranlage? Beide vergessene Relikte zum nahenden Kriegsende. Der Luftangriff am 20. 4. 1945 auf Zwönitz erfolgte trotzdem. Leider sind keine Belege, oder gar Abbildungen über dieses „Stück Westwall“ bekannt. Nun ist diese Spur völlig getilgt, niemand wird sie vermissen. Dafür steht nun ein schönes, neues Wohnhaus an dieser Stelle. Hinweise werden gern entgegengenommen.

Stefan Schneider, Heimatforschung EZV Zwönitz

„Fast“ bezugsfähiges Haus von Otto-Str. 19; Aufn.29.01.2024.

1 Grunert, Rudolf seit 1934 Bürgermeister für das vereinigte Zwönitz
2 Im ehem. Rathaus/Gemeindeamt arbeiteten noch bis 1948 einige Abteilungen der Stadtverwaltung.
1934 wurde Niederzwönitz nach Zwönitz eingemeindet
3 der NSDAP
4 Schießstand und Schießbahn der Niederzwönitzer Schützen
5 Bahnhofstraße 35
6 wurde nach 1950 in Schiller-Straße umbenannt
7 Niederzwönitzer Str. 9
8 Das Haus Dr.med.vet. Homberg wurde 1937gebaut.Von Otto-Str. 16