Bei dem Begriff „Bergmeistergut“ haben die meisten Zwönitzerinnen und Zwönitzer wohl folgendes Bild vor den Augen. Das Gebäude ist verbunden mit einer jahrhundertelangen Geschichte und vielen Persönlichkeiten. Der Name „von Schönberg“ rahmt die Geschichte des Gebäudes dabei ein, zum einen von seinen Anfängen im 15 Jahrhundert und zum anderen mit den aktuellen Eigentümern, direkte Nachkommen der von Schönbergs um Benedikta Paulig (geb. von Schönberg). Nach zahlreichen Sanierungen ist das Bergmeistergut aktuell wieder der permanente Sitz der Familie. Der Begriff des „Bergmeisters“ ist heute fest mit dem Gebäude verbunden.
Aber wie kam das Gut zu dieser Bezeichnung?
Die Biographie des Bergmeisters Carl Gotthelf Bauer, welcher Anfang des 19. Jahrhunderts das Gut übernahm, soll im Folgenden nun genauer untersucht werden.
Die Biografie des Carl Gotthelf Bauer – von Andreas Lippold
Zunächst werden Bezeichnungen aus dem Bergbau kurz erläutert. Dass dieser im Erzgebirge über Jahrhunderte eine herausragende Rolle spielte, wird als bekannt vorausgesetzt. Schon sehr zeitig, z.B. 1307 im Freiberger Bergrecht, wurden die Abläufe rings um den Bergbau schriftlich festgehalten. So ist das Amt des Bergmeisters definiert mit wenigen, aber absolut treffenden Worten „Was da geschieht in den Gruben und an den Leitern und an der Hängebank, dass soll der Bergmeister richten.“ Im Laufe der Entwicklung wurden von den im Land Herrschenden Einrichtungen geschaffen, die den Bergbau kontrollierten und beeinflussten. Es erfolgte eine Einteilung der Region in Bergreviere, einhergehend mit der Schaffung von Verwaltungszentralen, den Bergämtern. Der Vorsitzende eines Bergamtes war der Bergmeister. Er „… dirigiert den Bergbau seines Reviers sowie den Gang der Geschäfte und die berggerichtlichen Angelegenheiten“. Die Aufgaben, die dieses Amt mit sich brachte, wurden immer umfangreicher und anspruchsvoller, erforderten nicht nur körperliche Belastbarkeit, sondern auch eine hohe Bildung. Teilweise waren die Amtsinhaber Absolventen der Bergakademie in Freiberg. Der Berggeschworene war ein Beamter und Mitglied des Bergamtes und kann als Assistent des Bergmeisters angesehen werden. Er beaufsichtigte „… unter Direktion des Bergmeisters den speziellen Bau und Haushalt jeder Grube …“. Der Schichtmeister war ein Bedienter der Gewerkschaft. Er war mit seinen Aufgaben „überhaupt auf den Nutzen seiner Gewerkschaft bedacht“. Dazu gehörte u.a. die Anschaffung der nötigen Bergmaterialien und die Rechnungsführung. Carl Gotthelf Bauer (CGB) entstammt keiner Familie mit langer Bergbautradition. Das gilt mindestens bis zu seinem Urgroßvater. Als dieser Christoff Bauer 1714 starb, erbt dessen Sohn Johann Christoff als Alleinerbe ein Bauerngut in Schönfeld bei Annaberg. 1741 verkauft er es, nun als ¾ Lehn-Gut bezeichnet, an seinen jüngsten Sohn Johann Benjamin B., den zukünftigen Vater von CGB. Johann Benjamin Bauer wird 1722 in Schönfeld geboren und heiratet 1741 als Strumpfwirkermeister Albertina Sophia Stoy aus Hartenstein. Deren Vater Johann Stoy ist dort Bürger und Hof-Sattler sowie Stadtrichter. In einem Gerichtsbucheintrag von 1761 wird Johann Benjamin B. als Schichtmeister im Bergbau bezeichnet. Konkret genannt wird der “Kayserlich und Chur-Prinzessin Antonien tiefen Erbstolln sonst Seraphinen Stolln genannt, am Greifenbach unter Geyerischen Berg-Amts-Refier gelegen”. Zu diesem Zeitpunkt ist sein Sohn Carl Gotthelf bereits geboren. Dies war am 26.10.1754 in Schönfeld. So ist der spätere Bergmeister zumindest durch die Tätigkeit seines Vaters mit der Bergbauproblematik in Berührung gekommen. Sein Interesse an diesem Gebiet war auf jeden Fall so groß, dass er 1774 in Freiberg an der Bergakademie ein Studium begann. Nachdem die Bergakademie 1766 die Lehrtätigkeit aufnahm, war er mit der laufenden Nr. 127 der erste Student, bei dem als Geburtsort/ Wohnort Geyer stand. In der als Quelle angegebenen Festschrift werden die Bedingungen um das Studium sehr interessant beschrieben. So wird dargelegt, dass die Studenten frühestens zum 2. Studienjahr ein Stipendium erhalten konnten. Auch CGB hat im 2. Studienjahr eine finanzielle Unterstützung erhalten. Dass dieser Beitrag nicht sehr groß gewesen sein kann, verdeutlicht eine Bittschrift, in der er „untertänig um eine weitere und möglichst höhere Gewährung seines Stipendiums sowie die unentgeltliche Anhörung in Markscheidekunst, Physik und Zeichnen“ bittet. Datiert ist dieses Schreiben vom 05.02.1776. Nach dem Studium schloss sich ein praktischer Kurs an. Diesen absolvierte CGB im kleinen und nicht sehr lukrativen Bergamt Berggießhübel im Osterzgebirge. Dort arbeitete er als Interims-Schichtmeister. Im Februar 1777 bittet er wieder untertänigst um höhere finanzielle Zuwendungen, auch um das Markscheiden (wie grob umrissen die im Bergbau zusammenhängenden planerischen und vermessenden Tätigkeiten bezeichnet werden) „in welchen ich noch etwaß zurück stehe, vollens beendigen zu können“. Dass er sich dann auch tatsächlich in seinem Studium sehr befleißigte, bescheinigt ihm der spätere Berghauptmann Johann Friedrich Wilhelm von Carpentier. In einer Beurteilung vom 11.04.1777 heißt es “Bauer hat sich vorzügliches Lob und gutes Zeugniß von denen Beamten durch seine praktischen Arbeiten und wo er auf denen Gruben angestellt gewesen, erworben” Seine nächste Lebensstation war Geyer. Er hatte das Studium abgeschlossen und erhielt dort seine erste Anstellung. Hier heiratete er am 20.04.1779 Jungfrau Christiana Dorothea Loos, ehelich einzige Tochter von Christoph Friedrich Loos, Bergsteiger und Knappschaftsältester in Annaberg und Erbangesessener in Frohnau. Der Familie werden in Geyer zwischen 1779 und 1795 8 Kinder geboren, von denen die 3 letzten im Säuglingsalter starben. In dieser Zeit tätigte er nach der angegebenen Quelle mehrere Käufe von Grundstücken und Häusern. So ist er auch eine Zeit Besitzer des Schützenhofes in Geyer gewesen. Fast 20 Jahre arbeitete er in den Revierabteilungen Geyer und Ehrenfriedersdorf. Dort führte er z.B. im Revier Geyer zwischen 1786 und 1794 sogenannte Fahrbögen, war Vize-Berggeschworener und Berggeschworener. 1791 informiert er seinen Vorgesetzten, den Oberbergmeister Tölpen in Annaberg, dass er die „Schichtmeisterey aufn Geyersberger Stockwerk“ u.a. aus gesundheitlichen Gründen niederlegt. In der gleichen Quelle wird sein Bruder Christian Gottlieb Bauer als Schichtmeister in Ehrenfriedersdorf bezeichnet. Am 06.12.1800 wird er zum Bergmeister des Marienberger Reviers berufen. Dazu gehörten damals auch die beiden zuvor genannten Revierabteilungen. Seine Dienststube hatte er sehr wahrscheinlich, wie auch andere Bergmeister, in Marienberg im Bergamtshaus, in der heutigen Freiberger Straße 4. Dieses Haus kaufte 1771 der Bergmeister Friedrich Wilhelm Heinrich von Tebra, dem 1766 listenmäßig ersten Studenten an der Bergakademie Freiberg und späteren Oberberghauptmann in Sachsen. Für CG Bauer muss seine Zeit als Bergmeister durchaus lohnend gewesen sein, denn 1804 kauft er von Hof-Commisari Christian Ernst Wunnerlich in Niederzwönitz dessen Haupt- und Nebengut. Die Entwicklungsgeschichte dieses damals sicher repräsentativsten Bauergutes im Dorf wurde, wie oben erwähnt, beschrieben. Was diesen Mann zu dem Kauf veranlasst hat, ist nicht klar erkennbar. Enge familiäre Beziehungen scheiden nach jetzigem Kenntnisstand aus. Auf alle Fälle hat er für den Kauf eine relativ hohe Summe aufgewendet. Ein interessantes Detail ist noch, dass er als „Kurfürstl. Sächs. Bergmeister in Marienberg als Fremder auf das Wohngut“ am 14.03.1805 in der Johannis-Kirche den Kirchenstand No. 6 auf der „ersten Emporkirche erste Reihe rechter Hand“ durch „Verlösung“ erhielt. Diese reservierte Plätze waren praktisch verbunden mit dem Besitz eines Hauses bzw. Gutes. Wie oft er sich in dem Gut aufhielt, ist nicht bekannt. In seiner Zeit als Bergmeister kann dies sicher nicht sehr häufig gewesen sein. Es ist kaum anzunehmen, dass er zu dieser Zeit selbst das Niederzwönitzer Gut bewirtschaftet hat. Im März 1806 wurde er „wegen Kränklichkeit auf sein Ansuchen … in Ruhestand versetzt“ Wieder muss er aus gesundheitlichen Gründen, noch keine 52 Jahre alt, ein Amt aufgeben. Sein weiterer beruflicher Werdegang ist nicht bekannt, ebenso sein Wohnsitz bzw. ob er sich dann öfter in Niederzwönitz aufgehalten hat. Er hat sein Bauerngut bis Ende 1822 besessen, immerhin noch über 15 Jahre nach der Beendigung seines Amtes als Bergmeister. Er verkaufte es an den Einheimischen Johann Christian Roscher, dessen finanzielle Möglichkeiten nicht unbedeutend gewesen sein müssen, da er 1835 seinem erst etwa 20-jährigen Sohn die Tauscher-Mühle in der Zwönitzer Innenstadt für dessen beruflichen Start als Müller kaufen konnte. An dieser Stelle sei noch kurz sein jüngerer Bruder Johann Heinrich Bauer erwähnt. Dieser wanderte in die Schweiz aus und lebte im kleinen Kanton Waadt, im französischen Teil der Schweiz. Aber 1805 ist dieser bereits verstorben, da in einem Gerichtsbucheintrag dessen Frau Lisette als Witwe bezeichnet wird. Als letzte Nachricht in der Literatur ist zu finden, dass CG Bauer 1837 als Bergmeister zu Annaberg gestorben ist. Dieser Eintrag wird von Lothar Riedel, dem ich viele Hinweise zu Fragen des Bergbaus verdanke, aus nachvollziehbaren Gründen angezweifelt. Er wäre etwa 83 Jahre alt geworden. Bemerkenswert für einen Mann, der bereits 1791 sein Amt als Schichtmeister gesundheitsbedingt aufgeben musste. Leider ist der Sterbeeintrag nicht nachprüfbar, da die Kirchenbücher des alten Kirchenbezirkes Annaberg erst nach Ende der Digitalisierung, nach bisherigen Aussagen 2024, wieder einzusehen sind. Dadurch können leider einige genealogische Daten nicht sauber recherchiert werden. Vom Pfarramt Ehrenfriedersdorf kam die Information, dass CG Bauer in der Ahnenlinie des Adam Ries stehen könnte. Durch eine Nachfrage beim Adam-Ries-Bund in Annaberg-Buchholz konnte dies bestätigt werden. Danach gehört er zur 9ten Generation nach dem einst so erfolgreich in Annaberg wirkenden deutschen Rechenmeister. Geboren in Schönfeld bei Annaberg, studiert an der Bergakademie Freiberg, gewirkt als Bergmeister in Marienberg und sehr wahrscheinlich in Annaberg gestorben, das sind wichtige Lebensstationen von Carl Gotthelf Bauer. Er war ein „Uhiesiger“ und sein Name dürfte in den letzten 100 Jahren den wenigsten Niederzwönitzer Einwohnern bekannt gewesen sein. Seine Amtsbezeichnung aber ist in Verbindung mit dem Namen eines Bauerngutes über gut 2 Jahrhunderte präsent geblieben. Leider konnte kein Bild von ihm in den Archiven gefunden werden. Das Leben dieses Mannes etwas genauer zu beleuchten und in die Niederzwönitzer Heimatgeschichte einzuordnen, ist Zweck dieses Artikels. Glück auf!
Herr Lothar Riedel, ein langjähriger Autor in den „Erzgebirgischen Heimatblättern“ hat mir die Transkription mehrerer Dokumente aus dem Sächsischen Staatsarchiv – Bergarchiv Freiberg (im Folgenden StAF) zum Thema zukommen lassen. Ihm gilt an dieser Stelle mein besonderer Dank.
Text: Andreas Lippold / Einführung: Redaktion
Quellen:
Bergmannssagen aus dem sächsischen Erzgebirge, 2., durchgesehene Auflage, 1986., Herausgegeben und bearbeitet von Dietmar Werner …, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, S. 294
[1] wie 1, S. 285f, nach Köhler, Alexander Wilhelm, Anleitung zu den Rechten und der Verfassung bei dem Bergbau …, Freiberg 1824
[1] wie 1, S. 292, nach Köhler, Alexander Wilhelm, wie 2
[1] Bergmännisches Wörterbuch, J. Ch. Stößel, Chemnitz 1778, S.458; Digitalisat Bayerische Staatsbibliothek
[1] Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden (im Folgenden HStA Dresden), Gerichtsbuch Annaberg Nr. 210, fol. 53 f, Digitalisat Nr. 75 f
[1] Schriftliche Auskunft Pfarramt Hartenstein vom 14.04.2023; aus Toten- und Traubuch Hartenstein 1588-1744, Jahrgang 1741, S. 1003, Nr. 3
[1] HStA Dresden, Gerichtsbuch Annaberg Nr. 178, fol. 136 f, Digitalisat Nr. 141 f
[1] Lothar Riedel, in den Erzgebirgischen Heimatblättern 2020, Heft 3 hat er die Problematik dieses Stollens beschrieben und StAF, Bestand 40040, Signatur L 11199
[1] Ehrenfriedersdorf Pfarramt, Mail vom 30.03.2023
[1] Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum der Königl. Sächs. Bergakademie zu Freiberg am 30.Juli 1866; Druck der K. Hofbuchdruckerei von C. C. Meinhold & Söhne, Dresden; Digitized by Google, Seite 221 ff, Verzeichniss Derer, welche seit Eröffnung der Bergakademie und bis Schluss des ersten Säculum´s auf ihr studiert haben vom Hüttenraiter C. G. Gottschalk
[1] Lothar Riedel, Mail vom 27.04.2023; Uni-Archiv Freiberg: OBA 241, Bl. 38; Transkription beim Autor
[1] Lothar Riedel, Mail vom 03.05.2023; Uni Archiv Freiberg: OBA 241, Bl. 145; Transkription beim Autor
[1] Lothar Riedel, Mail vom 18.04.2023; Uni Archiv Freiberg: OBA 241, Bl. 183b
[1] Rolf Kaltofen, Familienbuch für die Stadt Geyer im Erzgebirge seit dem 16. Jahrhundert, Chemnitz 1993, S. 188 ff
[1] Lothar Riedel, Mail vom 17.07.2023; StAF, Bestand 40011, Nr. 282, Haushaltsprotokoll BA Geyer 1786-1792; Transkription beim Autor
[1] Lothar Riedel, Mail vom 21.11.2022, StAF, Bestand 40013, Nr. 238, Bl. 145-146
[1] Stadtarchiv Marienberg, Frau Pöthke, Mail vom 09.05.2023 und wie 10 , Seite 223
[1] Zwönitzer Anzeiger, 2022, Nr. 48 – 50, Lippold, A., Aus der Geschichte von Niederzwönitz im 18. Und 19. Jahrhundert – Eine erzgebirgisch-fränkische Beziehung aus dieser Zeit
[1] Landeskirchliches Archiv Dresden, Kirchstuhlregister der St. Johannis-Kirchgemeinde Niederzwönitz, 1793 – 1901, Nr. 295, Ausdruck vom 20.09.2022
[1] Carl Wilhelm Hering, Geschichte des Sächsischen Hochlandes, Band 3, 1827, Seite 215; Digitalisat der SLUB Dresden; nach einer Info von Bernd Descher, Mail vom 17.09.2022
[1] HStA Dresden, Gerichtsbuch Annaberg Nr. 179, fol. 158b, Digitalisat Nr. 163
[1] wie 10 , Seite. 227
[1] Ralf Graupner, Mail vom 22.05.2023
[1] wie 11, Kopie aus dem angegebenen Dokument
Schöner Artikel, bei der Nummerierung der Quellen scheint etwas nicht zu funktionieren. Vielleicht kann man es korrigieren.
(jedenfalls beim Betrachten mit IOS Handy)