Sie gilt in der Gartenpflege als anspruchslos. Die bescheidene Blume ist die erste, die aus dem frisch gemähten Rasen blickt, den Frühling begrüßt und den Herbst verabschiedet. Mit zarten weiß-gelben Tupfern übersäht sie die Wiese und gehört so selbstverständlich in das Landschaftsbild, ohne dass sie wenig Beachtung findet. Schnell ist sie platt getreten, unter Geröll der in Vorgärten immer beliebter werdenden Schotterwüsten begraben oder wird mit Vertikutierer und Rasenroboter bekämpft. Dabei ist sie schön, essbar und gesund, ein Glücksbringer oder Orakel! Jedes Kind kennt es beim Namen – das Gänseblümchen, auch bekannt als Maßliebchen, Tausendschön oder Himmelsblume. Die Trivialnamen rühren von den Eigenschaften und der Erscheinung der Blume. Als Maßliebchen ist es genügsam, als Tausendschön blüht es tausendfach und leuchtet dem Sternenhimmel gleich als Himmelsblume auf der Wiese. Der Vergleich zum Himmelskörper verleiht der Blume etwas Göttliches. So taucht das Gänseblümchen wohl nicht zufällig als Zierelement am weltberühmten Ischtar-Tor auf, wo es schreitende Löwen rahmt. Das um 605-562 v. Chr. entstandene Stadttor von Babylon, heute als Nachbau im Pergamonmuseum Berlin zu bewundern, verdankt seinen Namen der wichtigsten Göttin Babyloniens – Ištar. Die Gottheit wurde sowohl als Morgen- als auch Abendstern verehrt, eines ihrer Symbole ist neben dem Löwen und dem Schakal der achtzackige Stern. Das sternenförmige Gänseblümchen schafft hier die Verbindung zum Morgen wie zum Abend. In der Bildsprache des Christentums taucht das Gänseblümchen ebenfalls auf, wenn auch deutlich kleiner. Wer genau hinsieht, entdeckt die Blume auf Stefan Lochners um 1440 entstandenem Meisterwerk Madonna im Rosenhag. Der Garten in der religiösen Bilderwelt des Mittelalters ist symbolgeladen und keinesfalls eine bloße Aneinanderreihung typischer Gartenpflanzen jener Zeit. Das Gänseblümchen steht hier sinnbildlich für Reinheit und Bescheidenheit – Attribute von Maria. Der Legende nach soll aus ihren Tränen auf der Flucht nach Ägypten ein Teppich aus Gänseblümchen entsprungen sein. Wer am Johannistag Gänseblümchen pflückt, trocknet und bei sich trägt, dem glückt jede Arbeit, besagt der Volksglaube. Der Johannistag wird am 24. Juni begangen. Anders als bei den anderen Heiligen und Glaubenszeugen begeht die Kirche am 24. Juni den Geburtstag (und nicht den Todestag) von Johannes dem Täufer. Nach biblischer Überlieferung war Johannes Mutter Elisabeth mit ihm im sechsten Monat schwanger, als Maria die Geburt Jesu angekündigt wurde. Da die Geburt Jesu am 24. Dezember gefeiert wird, wurde folglich Johannes Geburtstag auf den 24. Juni datiert. Johannes steht an der Schwelle des Neuen Bundes, den Gott durch Jesus Christus mit den Menschen schließt. In seiner Bußpredigt sowie mit der Wassertaufe am Jordan kündigt “Johannes der Täufer”, wie er seither heißt, diese Wende an. Er ist Patron der Lämmer, Schafe und Haustiere. Junge Mädchen beten ihn als Helfer bei der Partnerwahl an. Das Gänseblümchen kann hier als Sprachrohr und Orakel dienen. Jeder kennt den Abzählreim: „…liebt mich, liebt mich nicht“, bei dem Blütenblatt für Blütenblatt abgezupft und die gewünschte Antwort beim letzten Blütenblatt erhofft wird. Im Zusammenhang mit der Feier des Johannisfestes haben sich an manchen Orten Volksbräuche entwickelt wie Johannisandachten auf Friedhöfen und Johannisfeuer. Dadurch erhielten die sonst üblichen Sonnenwendfeuer eine christliche Bedeutung. Die Evangelisch-Lutherische Kirche Zwönitz lädt am 24. Juni zur Johannisandacht ein. Da passt es gut, dass die St. Johannis in Niederzwönitz aller Wahrscheinlichkeit nach Johannes dem Täufer geweiht ist.
Die Papiermüller in Niederzwönitz animieren an dem Tag zum Pflücken der schönen Gänseblümchen, damit aus ihnen ein Glücksbringer für alle Unternehmungen entstehen kann. Eingeschöpft in Büttenpapier bleiben Farbe und Form erhalten, eingeschlossen in ein Schmuckstück werden sie zum ständigen Begleiter. Wer also Lust hat, kann sich einem Talisman-Workshop in der Papiermühle Niederzwönitz anschließen, selbst gepflügte Gänseblümchen mitbringen, oder vor Ort auf der großen Wiese im Mühlenhof pflücken, diese in Papier einschöpfen und zu einem Talisman verarbeiten. Zur Auswahl stehen Anhänger, Ohrringe, Ringe und Ketten. Die Schmuckstücke sind auch ein schönes, individuelles Geschenk. In der Blumensprache sagt das Gänseblümchen: „Ich bin Dir gut“.
Das Angebot findet an folgenden Tagen statt:
Donnerstag, 24. Juni 15-16 Uhr Freitag, 25. Juni 15-16 Uhr Samstag, 26. Juni 11-12 Uhr Sonntag, 27. Juni 11-12 Uhr
Das Museumsteam bittet für die Wochenendtermine um telefonische Anmeldung bis spätestens Freitag 15 Uhr. Bei großer Nachfrage können weitere Termine gefunden werden.
Text: Paula Stötzer