Wie fühlt es sich an, ausgegrenzt zu werden, weil du anders bist?
Wie fühlt es sich an, wenn dieses Anderssein nur durch deine Herkunft,
deine Geburt, den Glauben deiner Vorfahren, deiner Gewissensfreiheit bestimmt wird?
Wie fühlt es sich an, deswegen verletzt zu werden?
Wie fühlt es sich an, wenn deine Peiniger gestern noch deine Nachbarn waren?
Wie fühlt es sich an, wenn dir alles genommen wird, alles zerstört wird, was dir wichtig war, was dich ausgemacht hat?

Können wir es fühlen, wenn wir es sehen, können wir es verstehen, wenn wir auf der anderen Seite stehen?

Wie fühlt es sich an, wenn du in der Nacht geholt wirst, keine Stunde Zeit hast, das Nötigste zusammenzupacken?
Wie fühlt es sich an, wenn du fortgebracht wirst, ohne zu wissen, was das Ziel, das Ende sein wird?
Wie fühlt es sich an, wenn du von deinen Liebsten getrennt wirst?
Wie fühlt es sich an, zu ahnen und vielleicht zu wissen, dass du sie nie wieder sehen wirst?
Wie fühlt es sich an, zu sehen, dass sich keiner dagegen wehrt und auch du die Kraft nicht aufbringst?
Wie fühlt es sich an, wenn du dich in das scheinbar Unausweichliche fügst gegenüber so viel Hass und Gewalt?

Können wir es fühlen, wenn wir es sehen, können wir es verstehen, wenn wir auf der sicheren Seite stehen?

Wie fühlt es sich an, zu wissen, dass es für dich kein Zurück gibt?
Wie fühlt es sich an, dass nur noch der Tod auf dich wartet, und es nur eine Frage der Zeit ist, ihm zu begegnen?
Wie fühlt es sich an, nicht zu wissen, welche Erniedrigungen, Qualen und Schmerzen auf dem Weg zum Tod auf dich warten werden?
Wie fühlt es sich an, dass dein Leben nur von der Laune und der Willkür Einzelner abhängt und du aller Rechte, sogar dem Recht auf Leben, beraubt bist?
Wie fühlt es sich an, dass sie dich Glauben machen, dass du kein Mensch mehr bist?

Können wir es fühlen? Können wir es verstehen? Die meisten haben doch weggesehen, und glaubten, auf der sauberen Seite zu stehen.

Wie fühlt es sich an, entgegen aller Wahrscheinlichkeiten es doch überstanden zu haben?
Wie fühlt es sich an, entscheiden zu müssen, ob du zerbrochen oder stark geworden bist, ob für dich das Überleben Glück oder Last, ob du verzeihst oder hasst?
Wie fühlt es sich an, dass man dir weismachen will, dass keiner davon wusste?
Wie fühlt es sich an, dass die Normalität alle deine Wunden notdürftig verdeckt?
Wie fühlt es sich an, dass diese Wunden wieder aufgerissen werden?

Können wir es fühlen, können wir es verstehen? Es könnte wieder geschehen,
und wir werden es kommen sehen, können wir dann widerstehen und werden nicht auf die andere, sichere, vermeintlich saubere Seite gehen?

Mit diesen besonderen Zeilen gedachten die Schüler der Klasse 8b der Oberschule Katharina Peters am 27.01. den Opfern des Nationalsozialismus. Die Datierung bezieht sich auf jenen 27. Januar 1945, als das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und die beiden anderen Konzentrationslager Auschwitz, durch die vorrückende Rote Armee befreit wurden. Zu diesem nationalen Gedenktag trafen sich die Zwönitzer auf dem Platz der Einheit gegenüber der Oberschule und zollten Tribut für die vielen Menschen, die durch die Hand der Nationalsozialisten ihr Leben verloren. In den Ansprachen durch den Lehrer Michael Heinz sowie Bürgermeister Wolfgang Triebert ging es auch darum, in Gedenken an diese Gräueltaten, gleiches nicht wieder geschehen zu lassen. Die gesamte Veranstaltung wurde von den Schülern mit ihrem Lehrer vorbereitet und vorgetragen. So waren Gedichte von Halina Birenbaum zu hören, die als polnische Jüdin nach Auschwitz kam und nur knapp dem Tod entging. Auch das Antikriegslied „Sag mir wo die Blumen sind“ füllte die andächtige Stille auf dem Platz. Die Totenrede „Wie fühlt es sich an?“ wurde von den Schülern im Rahmen des Deutschunterrichts selbst verfasst.