Der Weihnachtsberg aus dem Nachlass von Fritz Neukirchner wurde 2020 zu neuem Leben erweckt.
In diesem Jahr wurde im Hause Neef der Weihnachtsberg wieder einmal aufgebaut. Leider durften wir in der Advents- und Weihnachtszeit keinen Besuch empfangen, so bin ich auf die Idee gekommen, euch den Berg über den Zwönitzer Anzeiger vorzustellen. Der Weihnachtsberg ist seit über 100 Jahren im Besitz unserer Familie. Begonnen hat Fritz Neukirchner mit einem Tisch in der Stubenecke. Dort hatte er, wie es im Erzgebirge üblich war, mit Moos, Wurzeln und kleinen Bäumchen die Heimat ins Wohnzimmer geholt. „Manneln und Häuseln“ wurden aufgesetzt und später kamen elektrische Lichter dazu. Doch das war nicht genug, denn Bergbauer haben immer neue Ideen und so wurde die begrünte Stubenecke von meinem Großvater Fritz mit den verfügbaren Möglichkeiten „lebendig gemacht“. Über die erdachten Transmissionen wurden, mit Figuren bestückte Laufbänder angetrieben und ein Springbrunnen sprudelte in der Mitte. Nach und nach kam einiges zusammen, was das Jahr über in großen Holzkisten auf dem Dachboden verstaut wurde. Ich erinnere mich daran, dass auch mein Vater, Wolfgang Neukirchner, den Berg aufgebaut hatte. Mit seinen Schnitzfreunden vom Kulturbund wurde der Weihnachtsberg im Rahmen von Volkskunstausstellungen im Poststall gezeigt. Wir Kinder durften mit, was für uns jedes Mal ein Fest war. 2009 ist mein Vater verunglückt und hat all sein Wissen um den Bergaufbau mitgenommen. Unser Sohn Tobias hat mit seinem Freund Martin 2015 begonnen, sich für die Kisten, in denen der Berg verstaut war, zu interessieren. In einem leerstehenden Zimmer wurde alles ausgebreitet. Das Berg-Gestell bestand aus Latten, die in mehreren Bündeln zusammengeschnürt waren. Ein 3D Puzzle für Erwachsene also. Schon im Sommer wurde getüftelt und jede freie Minute wurde genutzt, um den Berg zusammenzusetzen. Die Jungs hatten lediglich alte Fotoaufnahmen zur Verfügung und bei so manchem Teil erhob sich die Frage: „Wozu ist das gedacht?“. Doch es ging voran und pünktlich zum ersten Advent stand der erzgebirgische Weihnachtsberg. So manchen Abend ist mein Mann nochmals zum Berg gegangen und hat nach dem Hauptschalter gesehen, denn die alte Elektronik war ziemlich abenteuerlich verlegt und unter trockenem Moos und Wurzeln versteckt. Bei einigen Vorführungen brauchte der Zug einen Schubs, damit er weiter fuhr. Auch der Springbrunnen musste hin und wieder neu angesaugt werden, damit das Wasser sprudelte und seine Schönheit entfalten konnte. Doch bei allen Gästen stieß der Berg auf Bewunderung und die Eltern waren stolz auf „unnere Gunge“. Auch zu Weihnachten 2020 sollte der Berg wieder einmal aufgebaut werden. Die Bergbauer, Martin Wachsmuth und Tobias Neef haben dafür bereits im Sommer begonnen und sich Gedanken über ein neues Grundgestell gemacht, um bis Weihnachten alles zu schaffen. Bei sommerlichen Temperaturen wurden Latten gesägt, gebohrt, zusammengeschraubt und gestrichen, so dass der Berg im Erdgeschoß in Fensternähe aufgebaut werden kann. Im September wurden Möbel gerückt und der eigentliche Bergbau begonnen. Die Elektronik wurde mit neuen Kabeln bestückt und ein neuer Vorhang genäht, welcher die Technik verborgen hält. Aber nur aufbauen war den Jungs nicht genug. Es mussten natürlich Neuerungen her und so wurde der Berg digitalisiert. Hauptziel dabei war es, die alte und fehleranfällige mechanische Schaltung für den Tagund Nachtrhythmus zu ersetzen. Aber das erklärt euch Martin Wachsmuth besser selbst: Das Herzstück für die neue Schaltung bildet nun ein „Raspberry Pi“. Das ist ein kleiner Einplatinen-Computer, der ungefähr so groß wie eine Kreditkarte ist. Auf ihm läuft ein vollwertiges Linux Betriebssystem und er kann mit verschiedenen Programmiersprachen programmiert werden. Zusätzlich verfügt er über eine Leiste mit Steckpins. Diese Steckplätze können als Signaleingang Sensordaten lesen oder, wie in unserem Fall, als Signalausgang für die Steuerung von Objekten genutzt werden. Für den Weihnachtsberg wird er zur Steuerung von einem Tag- und Nachtrhythmus verwendet. Über ein Programm auf dem Computer, welches automatisch beim Starten des Bergs ausgeführt wird, erfolgt die Zeitsteuerung. Dabei wird eine fiktive Uhrzeit des Weihnachtsberges verwendet und zu definierten Uhrzeiten werden unterschiedliche Lampengruppen an- oder ausgeschaltet. Zum Beispiel arbeiten die Zwerge nur mitten in der Nacht in ihrem Bergwerk und der Morgen beginnt mit den Lichtern in den Häusern, die erlöschen sobald die Tages- Beleuchtung alles erhellt. Da der Computer selbst nur eine kleine Spannung von 3,7 V und nur sehr geringe Stromstärken auf seinen Pins ausgeben kann, benötigt man für die Schaltung der verschiedenen Glühbirnen noch zusätzlich ein Relais. Dieses ermöglicht es mit einem kleinen elektrischen Eingangssignal, welches nur zur Steuerung verwendet wird, einen Stromkreis mit größerer Spannung und Leistung zu schalten. So schaltet der Computer die verschiedenen Stromkreise mit unterschiedlichen Spannungen für die jeweiligen Lampengruppen. Eine weitere Neuheit für diesen Weihnachtsberg wurde durch einen Audio-Ausgang des Einplatinen-Computers möglich. In Verbindung mit zwei Lautsprechern werden nun, zusätzlich zur Steuerung der Beleuchtung, auch Geräusche abgespielt und der Berg dadurch noch „lebendiger“. Es ertönen nun zu bestimmten „Berg-Uhrzeiten“ Liedausschnitte z.B. vom Steigermarsch, Kirchenglocken, Vogelgezwitscher und in den Abendstunden singt Anton Günther „‘s is Feierohmd“. Mithilfe der digitalen Technik sind viele neue Möglichkeiten entstanden, den Weihnachtsberg zu erweitern und noch schöner zu gestalten. Es gibt bereits neue Ideen, was beim nächsten Aufbau noch alles dazukommen könnte. Und so zeigt sich, dass das Bastelprojekt „Lebendiger Weihnachtsberg“ nie wirklich beendet ist und sich immer weiter entwickelt. Denn Tradition und Moderne müssen sich nicht ausschließen, sondern können sich ergänzen und gemeinsam etwas Tolles entstehen lassen. Wenn alle beweglichen Teile funktionieren und der Springbrunnen sprudelt, dann wird dekoriert. Mit Wurzeln, Baamln , Moos und Strohblumen wird ein Stück erzgebirgische Heimat ins Wohnzimmer geholt. Zum Schluss kommen die Kisten mit den Figuren vom Boden. Mit viel Liebe zum Detail werden Tiere, Bergleute, Waldfiguren und Zwerge zu lebendigen Szenen auf den Berg gesetzt. Jetzt fehlen nur noch die Besucher, die sich daran erfreuen.
Lust bekommen? Für Fenstergucker: Neef, Färberweg 3, 08297 Zwönitz
Nachtrag: Die Bergbauer Tobias und Martin wären am Austausch mit anderen Bergbauern interessiert. Kontakt unter: Tel.: 037754 35162 … und vielleicht können wir an dieser Stelle ja im nächsten Jahr einen anderen verborgenen Zwönitzer Weihnachtsberg präsentieren.
Text: A. Neef, T. Neef, M. Wachsmuth