Liebe Bürgerinnen und Bürger,
seit einigen Tagen hängt der Weltfrieden am seidenen Faden. Keine 900 Kilometer von Zwönitz entfernt führt Russland einen erbitterten Krieg gegen die Ukraine. Die Männer zwischen 18 und 60 Jahren werden zum Militärdienst eingezogen. Hunderttausende Frauen und Kinder flüchten über die Landesgrenze und suchen in der Fremde eine sichere Bleibe. Werden sich die Familienangehörigen jemals wiedersehen? Was wird in der Ukraine aus den Arbeitsstellen, was aus Schulen, Kindergärten, Betrieben, Geschäften, Gaststätten? Das Szenario ist kaum vorstellbar und doch fast vor unserer Haustür. Unsere berechtigten Ängste vor den wirtschaftlichen und sozialen Schäden durch Corona erscheinen durch die erschreckende Situation der Ukrainer in einem anderen Licht. In den nächsten Tagen werden wohl die ersten Kriegsflüchtlinge auch in Zwönitz ankommen. Sie brauchen dringend unsere Hilfe. Dies darf uns nicht kalt lassen, auch wenn unsere Gedanken ständig um Corona oder die Energieund Spritpreise in schwindelerregender Höhe kreisen. Wir müssen nun zusammenstehen, als Zwönitzer, als Deutsche und als Europäer! Vor kurzem zierten am Valentinstag zahlreiche bunte Papierherzen die Brückengeländer und manch anderen Ort in Zwönitz. Die Botschaften lauteten zum Beispiel Zusammenhalt, Empathie, Hilfsbereitschaft, Weltoffenheit, Vertrauen, Frieden und Teilhabe.
Das Bündnis „Zwönitz – Miteinander – Füreinander“ setzte mit dieser Aktion ein Zeichen. Und auf dem Telegram-Kanal der Gemeindeversammlung war daraufhin zu lesen: „Ein Dankeschön an die unbekannten Akteure dieser Aktion“. Über Nacht ist nun die Zeit gekommen, wo man beweisen muss, ob man wirklich zu diesen wichtigen Werten steht! Gerade jetzt müssen wir das Gegeneinander überwinden und wieder mehr die Gemeinsamkeiten sehen.
Das Vertrauen in die Entscheidungen der Bundes- und Landesregierung ist auch bei mir besonders in den letzten beiden Jahren mehrfach strapaziert worden. Aber mit Blick auf das aktuelle Verhalten von Waldimir Putin wird klarer denn je, wie wichtig eine funktionierende Demokratie für unser Zusammenleben ist. Wir können es uns nicht leisten, aufeinander zu schimpfen, uns gegenseitig zu beleidigen oder gar zu drohen. Kritik muss ausgesprochen werden. Wir müssen sachlich um das Beste für unser Zwönitz, für Sachsen, für Deutschland und die Welt streiten. Aber wir müssen genauso die demokratisch entstandenen Vorschriften akzeptieren und einhalten. Und was wird aus Corona? Wir werden in den nächsten vier Wochen erfahren, ob der Erzgebirgskreis auch mit einer Impfquote von nur 50 Prozent ähnlich problemlos durch die Omikron-Welle gekommen ist, wie zum Beispiel der Landkreis Leipzig mit fast 70 Prozent vollständig Geimpften. Aktuell zeichnet sich ab, dass die durch Erkrankung entstandenen Antikörper länger wirksam sind, als durch Impfung erzeugte. Beide Wege bergen Risiken. Nun gilt es nach vorn zu blicken. Eine Impfpflicht scheint mir in der aktuellen Lage weder sinnvoll noch notwendig zu sein. Deshalb habe ich gemeinsam mit vielen Bürgermeisterkollegen aus dem Erzgebirgskreis in einem offenen Brief ein Umdenken in Land und Bund gefordert. Nun liegt es an den Abgeordneten, die Impfdebatte nicht ins Unendliche fortzuführen, sondern möglichst bald Vernunft walten zu lassen. Aber genauso muss jeder einzelne die freie Entscheidung seines Mitmenschen akzeptieren, ob er sich impfen lässt oder nicht. Auch das ist Teil der Meinungsfreiheit. Bündeln wir wieder unsere Kräfte zur Stärkung des Zusammenhalts. Nutzen wir die Lockerungen der Corona-Auflagen, um gemeinsam das Zusammenleben in Zwönitz positiv zu gestalten. Schätzen wir die Demokratie als eines der höchsten Güter. Verhältnisse wie in Russland wollen wir in unserer schönen Heimat nicht haben!
Mit einem herzlichen Glückauf
Ihr Bürgermeister