Eine zentrale Stellung in den Beständen der Raritätensammlung nehmen Waffen aller Art, Ausführung und Herkunft ein. Ebenso bedeutend wie die Waffensammlung und in mancher Hinsicht noch vielfältiger sind die zusammengetragenen Ethnographica – also Sachzeugen indigener Kulturen aus verschiedenen Teilen der Welt. Das letzte Dings vom Dach in unserer Artikelserie bewegt sich im Spannungsfeld dieser beiden Sammlungsbereiche. Das eiserne Schwert verfügt über eine einschneidige Klinge, die sich zum Ort, d.h. zur Spitze hin verbreitert und wenige Zentimeter über dem Heft, dem Schwertgriff, in einem Winkel von etwa 25° abknickt. Die kurze schlichte Parierstange besteht ebenfalls aus Eisen. Benannt werden konnte das Objekt nur anhand von Vergleichen in der Rüstkammer der Coburger Veste. Es handelt sich um ein Parang Pandit oder Pandat, ein Kriegsschwert aus dem Norden Borneos. Gefertigt und genutzt wurde die eigentümliche Waffe im 18. oder 19. Jahrhundert von den nichtmuslimischen indigenen Bewohnern der Insel, die von den niederländischen Kolonialherren unter dem Namen Dayak zusammengefasst wurden. Bei diesen Gruppen handelte es sich um lose Stammesverbände, die in Langhäusern an Flüssen siedelten. Sie praktizierten Animismus, einen Glauben an die Beseeltheit der Natur und an Naturgeister. Darüber hinaus betrieben einige der Stämme Kopfjagden. Hierbei wurden Angehörige feindlicher Gruppen enthauptet und ihre Köpfe als Siegtrophäen erbeutet. Die Kopfjäger glaubten, durch die Erbeutung der Köpfe von Feinden deren Lebenskraft für sich zu gewinnen. Ob unser Schwert für derlei Praktiken genutzt wurde ist fraglich. Den spärlichen Überlieferungen nach, diente das Parang Pandit als reine Kriegswaffe und wurde ausschließlich im Rahmen größerer Konflikte verwendet. Waffen dieses Typs konnten reich verziert sein, etwa mit Besätzen aus Leder und Bein am Griff oder Messingeinlagen an Parierstange und Klinge. Den Schwertknauf am Ende des Heftes zierten oft Feder- oder Haarbüsche. Unser Exemplar ist vergleichsweise schlicht gehalten. Wie genau das Schwert geführt wurde ist nicht bekannt. Die Klinge ist für Hiebe und Abwärtsschnitte sehr schlecht ausbalanciert. Ein entsprechendes Schwingen der Schneide würde das Handgelenk des Kriegers stark belasten. Aufwärtsbewegungen sind im Kampf ineffektiv. So scheint es auch möglich, dass dem Kriegsschwert ein eher zeremonieller oder repräsentativer Charakter zukam. Wie das Parang Pandit zusammen mit einem fast identischen Gegenstück in die Sammlung gelangte, ist noch zu klären. Im Zuge von Konflikten und Strafexpeditionen erbeuteten die Angehörigen kolonialer Schutztruppen oft gezielt Waffen, Alltagsgegenstände und Volkskunsterzeugnisse, um diese auf dem europäischen Kunstmarkt zu verkaufen oder in ethnologische Sammlungen europäischer Völkerkundemuseen zu überführen. So scheint es wahrscheinlich, dass auch Bruno Gebhardt die Waffe aus dem Kunsthandel bezogen oder auf einer Auktion erstanden hatte. Das gilt ebenso für eine Sammlung an Südseespeeren, deren Herstellungsorte auffällig gut mit den ehemaligen deutschen Überseegebieten zusammenpassen. So bleiben auch unsere kleinen Zwönitzer Museen von Fragen der Provenienzforschung und der Frage nach kolonialem Erbe nicht unberührt.

(Marco Blechschmidt)

Wer sich unser Schwert und die anderen Dinger vom Dach aus der Nähe betrachten möchte, hat noch bis zum 09.07.2022 die Gelegenheit. Bis dahin öffnet die Raritätensammlung immer Samstag von 13 bis 17 Uhr und lädt zur Besichtigung der Dauerund Sonderausstellung ein. Für Gruppen ab 6 Personen ist auf Nachfrage auch eine Führung außerhalb der regulären Öffnungszeiten möglich. Die Raritätensammlung verabschiedet sich nach dem Abschluss der Sonderausstellung in eine kurze Sommerpause. Ab dem 01.10. geht es weiter mit einem Ausflug nach Fernost. Unter dem Titel Kimono vs. Samurairüstung – Die Kunst des Ankleidens im Land der Kirschblüte – begeben wir uns in das alte modebewusste Japan.