Pfarrer Sieghard Löser bei seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit in der Turnhalle der Katharina-Peters-Oberschule in Zwönitz
Die Rede anlässlich des Festaktes 32 Jahre Deutsche Einheit am 3. Oktober 2022 hielt der Elterleiner Pfarrer Sieghard Löser. Als Einstieg wählte er das Thema Zeit. Er verwies darauf, dass Zeit alle Wunden heilt, dass sie vergeht und wir mit ihr. Mit seiner ihm vertrauten Materie der Theologie und ihrer Hilfswissenschaft – der Philosophie – ging er auf die drei Zeitbegriffe Kairos, Kronos und Aionos ein. Das griechische Wort Kairos beinhaltet den aktuellen Zeitpunkt, also den Augenblick. Die deutsche Wiedervereinigung vor 32 Jahren war solch ein Augenblick mit epochaler Bedeutung und gewaltigen Auswirkungen auf die meisten von uns. Kronos hingegen ist die vergehende Zeit, die ein Anfang, aber auch ein Ende besitzt. Pfarrer Löser nannte als Beispiel die DDR. „Das Beste an der DDR war für mich ihr Ende“, so seine Einschätzung. Und Aionos hat Martin Luther einmal in seiner Bibelübersetzung mit Ewigkeit bzw. die Zeit Gottes wiedergegeben. Diese Ewigkeit wünschen wir uns für das geeinte Deutschland in Friede und respektvollem Miteinander. Im Rückblick auf den 3. Oktober 1990 erinnerte der Elterleiner Pfarrer an zahlreiche Namen und Ereignisse, die zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands führten und verknüpfte diese mit sehr persönlichen Erlebnissen. Er selbst erinnerte sich an die DDR als ein Land des Stillstandes. „Wenn du deine Lehre oder dein Studium abgeschlossen und deinen Platz in der Nische gefunden hattest, wusstest du: die nächsten 40 Jahre wird sich nichts ändern, bis du Rentner bist und in den Westen fahren kannst. Bis dahin musst du dich gesund und fit halten, wenn du mit 65 den Kilimandscharo besteigen oder über den Kudamm gehen willst.“ Sieghard Löser selbst wurde zunächst in der DDR ein Studium verweigert. Er erlernte einen Beruf und arbeitete in diesem bis 1987. In diesem Jahr durfte er dann als Späteinsteiger, also mit 28 Jahren, ein Studium am theologischen Seminar in Ostberlin aufnehmen. Es folgten interessante Berichte aus dieser Studienzeit im gespalteten Berlin, in denen er u.a. von der Berliner Golgathagemeinde und ihrem Entwurf für die Gründung einer Sozialdemokratischen Partei der DDR (SDP) erzählte, in der er selbst mitwirkte und deren Ziel ein verbesserlicher Sozialismus sein sollte. Er berichtete von seinen Erlebnissen und Begegnungen kurz vor dem Mauerfall und von den Demonstrationen in seiner Heimatstadt Annaberg. Sieghard Löser verbrachte das Wintersemester nach dem Mauerfall in Erfurt und berichtete über die dort stattgefundenen Wahlkampfreden u.a. von Volker Rühe, Willy Brand, Hans-Dietrich Genscher und Hans Wilhelm Eberling. Er brachte seinen Respekt gegenüber Helmut Kohl zum Ausdruck, welcher als einziger prominenter Redner den Nerv der Zuhörer traf, als er von seiner Vision der blühenden Landschaften in den neuen Bundesländern sprach. Sieghard Lösers persönliches Fazit im Rückblick auf die DDR lautet: „Was auf Unrecht und Lüge aufgebaut ist, kann nicht auf Dauer bestehen.“ Und noch ein Zitat des Rabbiner Elie Abadie hat er den Festbesuchern als Gedanken mit auf den Weg gegeben:
Wo es keine Erinnerung gibt, gibt es keine Wahrheit.
Wo es keine Wahrheit gibt, wird es keine Gerechtigkeit geben.
Wo es keine Gerechtigkeit gibt, wird es keine Versöhnung geben.
Wo es keine Versöhnung gibt, wird es keinen Frieden geben.
Mit einem Ausflug in die griechische Mythologie schloss er den Kreis seiner Rede zum Anfang und beendetet diese mit dem Psalm: „Meine Zeit steht in deinen Händen – du stellst meine Füße auf weiten Raum.“