Sang- und klanglos musste die Sonderausstellung „Vom Eisenhammer zur Luftfahrt- Hightech…“ abgebaut werden, denn sie endete am 19.12.2021 während des „Weihnachtslockdown’s“. Zu gern hätte das Museumsteam sich öffentlich bei allen Förderern, Leihgebern und Gestaltern bedankt. Und noch lieber hätte es gemeinsam mit den interessierten Besuchern auf die gelungene Ausstellung angestoßen. Hätte, hätte… Nun gut, es ist, wie es ist und was bleibt, ist doch allerhand. Denn für die Sonderausstellung konnten u.a. hochwertige Vitrinen angeschafft werden, die nun darauf warten, für die nächste Schau bestückt zu werden: „Wir hatten ja nüscht? – Ostprodukte aus Pappe und Papier“. Damit hat die Sonderausstellung nachhaltig etwas bewirkt. Nachhaltig sind auch die zwei Exponate, über die hier noch im Einzelnen berichtet wird, bevor sie ins Depot kommen. Mit dem historischen Fleischsalat und der Nassplatte des ersten Wintermanns endet wie die Ausstellung auch die kleine Artikelreihe zu ausgewählten Objekten der Sonderausstellung. Der historische Fleischsalat ist zum Glück längst verspeist. Das Museum bewahrt nur die Verpackung auf – ein Eimer aus Pappe von 1968. Solange hätte sich kein Fleischsalat gehalten. Zwar gibt es heute Fleischsalat mit etlichen Konservierungsstoffen, in „light“ oder sogar „veggie“, doch kommt er stets im Plastiksarg daher. Das letzte Möbel dient hier bewusst als Bezeichnung für die Verpackung. Schließlich sorgen die Plastikabfälle, insbesondere in den Meeren, für massives Tiersterben. In Deutschland fallen jährlich 6 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an! 60 Prozent entstehen allein durch Verpackungen, klärt der NABU auf und bezieht sich auf Studien der GVM (Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung). Laut dieser haben sich die Kunststoffabfälle durch Verpackungen in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt, nicht zuletzt durch den Trend zu verpacktem Obst und Gemüse in Snackportionen. Wer nun meint, Verpackungen aus Pappe und Papier seien heute ökologischer wird auch eines Besseren belehrt. Deutschland hat einen der höchsten Pro-Kopf-Verbrauche weltweit – mit Auswirkungen auf die Wälder weltweit. Denn fast ein Viertel des Zellstoffs, den es zur Papierproduktion bedarf, wird aus Brasilien importiert, mit drastischen Folgen für den Regenwald. Der Vorteil an Papier aus Holz, also aus einem nachwachsenden, natürlichen Rohstoff, wird somit gleichsam zum Nachteil, weil Bäume nicht so schnell wachsen, wie sie verbraucht werden. Außerdem durchläuft aus Holz gefertigtes Papier in der Produktion viele chemische Prozesse und ist nicht bioabbaubar. Bereits für das Herauslösen der Zellulosefasern aus dem Holz werden große Mengen an Lösemittel-Chemikalien benötigt. Hinzu kommt das Bleichen des Zellstoffs mittels Chlorverbindungen. Schlussendlich braucht es noch diverse chemische Zusatzstoffe, um die Eigenschaften des Papiers zu optimieren. Mit gefährlichen Industriechemikalien werden To-Go-Verpackungen nassfest und fettbeständig gemacht. Auch die braune Optik, die Papier oft ein „grünes Image“ gibt, ist nicht natürlich: Das Papier wird braun gefärbt, sonst sähe es gräulich aus. Die Fakten sind erschreckend und es stellt sich die Frage: Gibt es denn gar keine Alternative? Die gibt es mit Recyclingprodukten! Um 2,5 Kilo Recyclingpapier herzustellen, werden 2,8 Kilo Altpapier benötigt. Zum Vergleich: für Frischfaserpapier braucht es dreimal so viel Holz. Außerdem können Fasern aus Altpapier nahezu unendlich oft wiederverwendet werden. Zurück also zum Pappeimer für Fleischsalat aus dem Jahr 1968. Dieser ist im Grunde ein Recyclingprodukt, anteilig aus Pappe der Fa. R. Wintermann. Der kleine Familienbetrieb in der Papiermühle Niederzwönitz stellte aus Altpapier und Wasser bis Anfang der 1970er Jahre Pappen her. Diese „Graupappen“ (die ihren Namen der Druckerschwärze im Altpapier verdanken) verschickte der Betrieb wiederum an andere Betriebe, die die Pappen zweckentsprechend weiterverarbeiteten, beispielsweise zu Eimern. Der Eimer für Fleischsalat des VEB Fleischkombinat Karl- Marx-Stadt wurde aus Papier gewickelt, bekam eine Blecheinfassung, einen Henkel aus Rundstahl, Eindrückdeckel aus gezogener Hartpappe (Graupappe der Fa. R. Wintermann) und eine Innenimprägnierung für mehr Dichtigkeit. Gängige Imprägniermittel waren damals synthetischer Latex, Kunstharz, Paraffin und thermoplastischer Kunststoff, alles in feinster Form (Dispersion) verteilt. Manchmal wurden die Eimer auch innen mit Alufolie kaschiert (beschichtet), oder komplett aus Hartpappe geformt, statt aus gewickeltem Papier. Eine besondere werbetechnische Gestaltung war aber bei keiner der Varianten üblich. So prangt am Eimer lediglich ein Etikett mit der unmissverständlichen Botschaft „FLEISCHSALAT“. Zugegeben, appetitlich ist die Vorstellung, Fleischsalat aus einem grau-braunen Pappeimer zu löffeln nicht unbedingt. So große Behältnisse für verderbliche Lebensmittel gab es in der DDR nur für die Gastronomie oder Läden ohne Selbstbedienung. Das heißt, der Inhalt wurde schnell verteilt und nicht pro Kopf portioniert verpackt. Hier liegt der Schlüssel für ökologisches Konsumverhalten. Tatsächlich war zu DDR-Zeiten vieles unverpackt, wurde einzeln verkauft, in selbst mitgebrachten Behältnissen abgefüllt oder in Zeitungspapier eingeschlagen. Der Weg in die Zukunft führt also zurück in die Vergangenheit. Papier und Pappe sollten aus Sekundärfaserstoff, sprich Altpapier, gewonnen werden, sparsam gebraucht und Großpackungen der Gastronomie vorbehalten sein. Im Einzelhandel sollten lose, unverpackte Waren dominieren und die Wiederverwendung von Verpackungen möglich sein. Auf der Facebook-Seite „DDR Erinnerungen“ gibt es einen regen Austausch zu DDR-Produkten, so auch zu Pappeimern für Lebensmittel wie Fleischsalat, Eiersalat und Marmelade. In vielen Kommentaren ist zu lesen, dass diese aufgrund ihrer Stabilität Wiederverwendung als Kohleeimer fanden (und dass der Inhalt gar nicht so eklig war, trotz der heute eher abschreckend wirkenden Verpackung). Das Museumsexemplar ist weder kohleverstaubt, noch mayonnaiseverschmiert, dafür ein Wissensspeicher. Denn die Beschäftigung mit dessen Materialität, Funktionalität und Geschichte lehrt für die Zukunft. Das ist auch ein Grund, warum das Museum vermeintlich banale Dinge wie eine Lebensmittelverpackung aufbewahrt. Es ist eben nicht nur ein Produkt der hiesigen Pappenfabrik, sondern auch Sachzeuge einer Lebensweise vergangener Zeit, die heute vielleicht zum Vorbild wird. (Text: Paula Stötzer)